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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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angewidert.
    »Scheußlich!«
    Zu ihrer größten Verwunderung schienen weder Mireille noch Alain von den Mücken geplagt zu werden. Natürlich ließ sich Alain die Gelegenheit zu einer Stichelei nicht entgehen.
    »Die Mücken stechen nur Touristen. Die Leute von hier sind immun. Da schau!«
    Stolz zeigte er ihr seinen bloßen braunen Arm. Karin begnügte sich damit, die Schultern hochzuziehen.
    Der Weg führte quer durch das angeschwemmte, flache Land. Der rissige Boden glitzerte von Salzkristallen. Hier wuchs nur die Salicornia, und die Mücken wurden seltener. Die Pferde hatten einen kleinen Galopp eingeschlagen, der nicht ermüdend war. Karin schwelgte in Glückseligkeit. Die warme Luft, die nach Salz roch, fächelte ihr ums Gesicht, und >Rosa< war tatsächlich so sanft wie ein Schaukelpferd. Sie hatten fast die gleichförmigen kleinen runden Dünen erreicht, als Alain unvermittelt sein Pferd zügelte und die Hand hob.
    »Halt! Hört ihr...«
    Sie lauschten. Aus der Ferne, vom Strand her, vernahmen sie Wiehern.
    »Am Strand sind Pferde«, sagte Mireille. »Wir müssen uns gegen den Wind nähern. Sonst flüchten sie.«
    »Sind es Wildpferde?« fragte Karin.
    »Eigentlich nicht. Sie gehören alle zu einem Gestüt. Aber manche sind vollkommen ungezähmt.«
    »Wildpferde gibt es ja gar nicht mehr«, sagte Alain. »Außer vielleicht einem einzigen...«
    Karin sah ihn an, verwundert über die eigenartige Rührung in seiner Stimme, die nichts mehr vom üblichen Spott an sich hatte. Als wenn er bedauerte, seine Gefühle verraten zu haben, setzte er >Trotzkopf< brüsk in Bewegung. Einer hinter dem anderen ritten sie durch die Dünen. Die Pferde hatten die Nähe ihrer Artgenossen gewittert. Sie spitzten die hellhörigen Ohren. Plötzlich wieherte >Rosa<. Der ungestüme Ausbruch, der ihre Flanken blähte, kam für Karin überraschend. Alain fuhr herum und warf ihr einen wütenden Blick zu.
    »Du hättest verhindern müssen, daß sie wiehert!«
    »Verhindern? Wie denn?« stotterte Karin verdutzt.
    »Indem du ihr die Nüstern zuhältst, so...!«
    Er machte es ihr vor.
    »Jetzt haben sie uns gehört, und sie suchen das Weite!«
    »Falkenauge muß nicht verzweifeln«, spöttelte Mireille.
    »Wir finden die Mustangs sicher, bevor die Nacht anbricht.« Als sie die Dünen hinter sich hatten, lag der Strand vor ihnen. Angeschwemmte Algen bildeten dunkle Flecken auf dem weißen Sand. Das ruhige, flache Meer warf den wolkenlos blauen Himmel im schimmernden Spiegelbild zurück. Eine Gruppe von Pferden verweilte genau an der Grenze von Wasser und Sand. Es waren Stuten mit runden Flanken und zwei oder drei noch nicht ausgewachsene Jungtiere. Ohne sich zu rühren, beobachteten sie die Reiter. Der erhobene Kopf und die geblähten Nüstern drückten Unruhe und Mißtrauen aus. Ein Pferd hielt sich etwas abseits der Gruppe.
    Sowie Karin es erblickte, glaubte sie, ihr Herz würde stillstehen. Es war nicht gedrungen wie die meisten Camargue-Pferde, sondern außergewöhnlich hochgewachsen. Hals und Brust waren so mächtig, die Beine so feingliedrig, daß es, von weitem betrachtet, an Majestät und Schönheit alle Pferde übertraf, die Karin jemals gesehen hatte. Der Wind spielte in seiner prächtigen, dichten Mähne, und sein Schweif war so lang, daß er im Wasser schleifte. Ungebrochene Kraft und Feurigkeit gingen von seinen breiten Schultern, den festen gewölbten Flanken aus. » >Glanzstern< und sein Harem!« flüsterte Mireille. »Ist ja nicht zu glauben! Noch nie habe ich ihn so nahe gesehen...«
    »Schnauze!« zischte Alain.
    Er schien erstarrt, wie hypnotisiert zu sein.
    Plötzlich stieß der Hengst so etwas wie ein Knurren aus. Einer der Hufe stampfte den Sand. Karin spürte, daß >Rosa< zitterte. Sie senkte so überraschend den Kopf, daß die Zügel in Karins Handflächen einschnitten, und stieß ein spitzes hysterisches Wiehern aus. Es war wie ein geheimnisvolles Signal, das sich unter der Herde verbreitete. Im gleichen Augenblick setzten sich alle Pferde in Bewegung und galoppierten davon. >Glanzstern< bäumte sich auf der Hinterhand auf und wandte den Eindringlingen wiehernd den Kopf zu. Karin hatte gerade noch Zeit, sein starkes gelbes Gebiß und sein schwarzes leuchtendes Auge zu sehen, und schon trug ein gewaltiger Satz den Hengst davon. Im Nu hatte er die Herde eingeholt, sprengte anscheinend mühelos an ihr vorbei und übernahm die Führung. Durch das hoch aufspritzende Wasser flohen die Pferde. Erst jetzt erwachte Alain aus

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