Pferdekuss
gestoßen, ein paarmal. Ich den ke, das ist der Beweis, dass Prinz nicht bösartig ist. Er wurde gereizt.«
»Haben Sie das der Polizei gezeigt?«
Hajo deutete ein Kopfschütteln an. Die Mistgabel war die Antwort auf meine Frage an Feil, wie sie denn ein Pferd in der Box dazu bringen wollte, immer wieder auszuschlagen und dabei einen Menschen an der Wand zu zermatschen. Man stach ihm durchs Boxengitter die Mistgabel in den Hintern. Aber wäre Prinz so ruhig stehen geblieben, wenn Hajo dieser Peiniger gewesen wäre? Pferde wurden oft misshandelt, mit Gerten, Sporen und Kandaren, trotzdem wurden sie selten irre, wenn sich ihr Reiter wieder näherte. Es mochte einen guten Bereiter ausmachen, dass er sich einem Pferd mit so eindeutigen Signalen nähern konnte, dass es stets zwischen freundlicher und feindlicher Absicht unterschied. Darum blieb Prinz jetzt ruhig. Aber merkte Hajo nicht, dass er einen Beweis für Feils Mordtheorie lieferte, der ihn, ergänzt um meinen Eibenzweigfund in Vanessas Box und seine Marbacher Vergangenheit, ins Gefängnis brachte?
10
»Bis heute Abend dann«, verabschiedete er sich am Reitplatz.
»Wieso?«
»Kommen Sie nicht zum Geburtstagsessen?«
»Ich bin nicht eingeladen.«
»Da haben Sie Schwein gehabt«, befand Hajo und ging zu den Zuchtställen davon.
Auf dem Reitplatz fand eben der Austausch der Reitschüler statt. Zwei ledige Pferde wurden über die Arsbrücke zum Schulstall zurückgeführt. Aggi stand in schief geknöpfter Hose an der Ecke und stierte den beiden Amazonen zwischen die Beine.
Siglinde und Feil kamen vom Wohnhaus über den Hof. Also waren sie tatsächlich beim General gewesen. Im Ton fast milde gestimmter Zufriedenheit teilte Feil mit, dass sie dann für heute hier wohl nichts mehr zu tun habe und dass man die Ergebnisse der Kriminaltechnischen Untersuchung abwarten müsse, als vom Parkplatz her, zwischen Remise und Wirtschaftshaus, ein Mann in hellgrauem Anzug den Platz stürmte.
»O Gott, Bongart«, sagte Siglinde.
Feils cremefarbenes gesprenkeltes Figürchen straffte sich.
Bongart orientierte sich und steuerte dann auf uns zu, genauer auf Siglinde. Feil und mich ignorierte er mit ei nem Überfliegerblick.
»Siglinde. Gut, dass ich dich gleich finde. Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe die Konferenz abgesagt und mich sofort ins Auto gesetzt. Wo ist Vanessa? Ich hatte da ein ganz seltsames Telefongespräch mit einer Frau, die sich als Journalistin ausgab. Was ist hier los.« Er sah sich um. »Was macht die Polizei hier?«
Siglinde sah überfordert aus.
Feil räusperte sich.
»Die Journalistin war ich«, sagte ich. »Wollen Sie meinen Presseausweis sehen?«
Bongart trug einen mausfarbenen Schnauzer, misch braune Augen und Krawatte und versuchte, sich zwi schen der Dame im gesprenkelten Sommerblazer, Siglindes Reithosen und meinem Jil-Sander-Jackett zu entscheiden. Er entschied sich für mich. »Was geht hier vor? Wo ist meine Tochter?«
Mit einer Handbewegung verwies ich ihn an Kommissarin Feil, die sich schon eingeschnauft hatte, um sich den ihr zustehenden Respekt zu erstreiten.
»Herr Bongart, ich muss Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen.«
Bongarts Bürogesicht wurde blass.
»Ich bin Hauptkommissarin Feil von der Polizeidirektion Reutlingen.«
Nun wurde auch Bongarts grauer Anzug blass. »Mei ner Tochter ist doch nichts passiert? Sie ist doch nicht … o Gott!«
»Wir haben die Tote noch nicht identifiziert«, sagte Feil. »Ich fürchte, wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Mein aufrichtiges Beileid, Herr Bongart.«
Er sah mich entgeistert an. Ich nickte.
»Wir versuchen seit Stunden, Sie oder Ihre Frau zu er reichen«, fuhr Feil streng fort. »Ich darf Ihnen versi chern, dass Frau Nerz völlig eigenmächtig und ohne unsere Bil ligung gehandelt hat, als Sie sich mit Ihnen in Verbindung setzte. Aber nun sind Sie ja da. Ich muss Sie bitten, mit uns zu kommen.«
Bongart begriff die Tragweite und rebellierte. »Nicht bevor ich erfahren habe, was hier eigentlich vorgefallen ist.«
Siglinde gab einen gepressten Laut von sich und rann te davon ins Wirtschaftshaus. Feil wuchs einige Zentimeter im Gefühl, den Sieg davongetragen zu haben.
»Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen«, sagte sie, »kam Ihre Tochter in einer Box im Schulstall durch ein Pferd zu Tode.«
»War es Prinz? Mein Gott …« Bongart bedeckte das Gesicht mit der Hand, wandte sich ab und wankte sonnengeblendet über den Hof, ohne die Richtung zu finden. Feil
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