Pferdekuss
Vanessa immer wollte, dass ich ihr wieder ein Pferd kau fe, am liebsten Prinz. Ich muss gestehen, dass ich auf diesem Ohr taub war. Es lief immer darauf hinaus, dass sie mein te, ohne eigenes Pferd sei sie ein Mensch zweiter Klasse.«
Das Gefühl kannte ich. Aber weil ich selbst mit Putzen und Steigbügelhalten angefangen hatte, teilte ich auch die väterliche Überzeugung, dass Kinder nicht alles haben müssen. Bongart hatte den Erziehungsrappel bekommen, als er merkte, dass seine Tochter allzu anspruchsvoll mit seinem Geldbeutel kalkulierte. Bitter für Vanessa. Eine Fünfzehnjährige konnte so etwas niemals verstehen. Sie fühlte sich verraten und verkauft.
»Warum haben Sie sich eigentlich scheiden lassen?«
»Das Übliche. Meine Frau hatte Affären.«
»Sie nicht?«
Er schlitzte die Augen. »Was Heide gemacht hat, hat ein bestimmtes Maß überschritten. Fragen Sie Siglinde, oder jeden hier auf dem Gestüt. Heide war hinter allem her, was Reithosen anhat. Ich nehme an, das ist noch immer der Fall. Es war für mich nicht mehr tragbar. Ich lasse mich doch nicht fortgesetzt lächerlich machen, auch vor meiner Tochter nicht.«
Darum also war er aus Vingen weggezogen. Seine Frau war die Stallnutte und er hielt die Stallhäme hinter seinem Rücken nicht mehr aus.
»Wo ist sie eigentlich jetzt, Ihre Exfrau?«
»Woher soll ich das wissen. Das ist typisch. Wenn man sie braucht, ist sie nicht da. Sie denkt nur an ihr Vergnügen und ich kann zahlen. Ich habe vor einem halben Jahr auf alleiniges Sorgerecht geklagt. Sie sehen ja, warum. Jetzt müssten sie mir recht geben … Immer muss erst etwas passieren …« Er schluckte.
Im Hofausschnitt zwischen den beiden Hängern stand Feil und wartete. Bongart wischte sich mit dem Taschentuch Augen und Schnauzer.
»Vanessa kam immer zu mir, wenn etwas war. Hätte ich mir doch nur mehr Zeit genommen. Man verschiebt so vieles auf später. Immer ist gerade irgendetwas, wichtige Termine, neue Aufgaben. Und auf einmal, da ist es zu spät.«
Er rang noch einmal um Fassung. Dann rückte er den Schlipsknoten zurecht. »Ich muss mich bei Ihnen bedanken, Frau Nerz.« Er seufzte und fasste den Hof ins Auge. »Dann wollen wir mal. Die Kommissarin wartet.«
Am schlimmsten war, dass er nicht in Sprachlosigkeit verfallen konnte. Alles, was er sagte, passte nicht, auch nicht die Haltung, mit der er sich mit Feil auf dem Hof traf, ein Ministerialbeamter aus Stuttgart in grauem Anzug beim Rendezvous mit einer Dame in heller Sommerhose. Beide entschwanden aus meinem Blickfeld Richtung Parkplatz. Ich setzte mich auf eine Hängerdeichsel und zündete mir eine Zigarette an.
Wenn Bongart zwar nicht viel, aber doch einiges über mich gehört hatte, dann musste er engeren Kontakt entweder zum General oder zu dessen Tochter haben. Ich tippte auf Siglinde. Bongart war ein attraktiver Mann.
Nach einer Weile trat sie aus der Tür des Haupthauses. Ich überquerte den Platz.
»Warum bist’n einfach abgehauen?«
»Ich hasse es, wenn Männer flennen.«
»Siglinde, wie lange geht das schon mit ihm und dir?«
»Wie kommst du darauf, dass ich … Also gut. Es ging anderthalb Jahre. Immer Freitag um fünf im Hotel König , Zimmer drei. Aber das ist seit einem Jahr vorbei. Nicht, dass du denkst, er hat sich wegen mir scheiden lassen.«
»Er sagt, weil seine Frau die Stallnutte war.«
Siglinde lachte dreckig. »Aber er hat’s gar nicht gemerkt. Das war der Witz. Heide hat es so ungefähr mit jedem Kerl hier getrieben, zumindest versucht, aber Die ter hat’s nicht gecheckt, überhaupt nicht. Man musste ihn mit der Nase drauf stoßen. Aber dann hat’s geknallt. Es war eine irre Szene hier auf dem Hof.« Sie lachte wieder. »Alle haben es mitgekriegt, auch Vanessa. Dieter hat seine Frau alles geheißen, alles, wirklich alles, verstehst du. Und dann hat er Hajo zum Duell gefordert …«
»Hajo?«
»Es hätte auch ein anderer sein können. Aber zufällig hat es Hajo getroffen. Nach der Reitstunde um acht. Hei de hatte ihn, wie das so ihre Art ist, wieder angemacht, mit den Augen angeplinkert und rumgegurrt. Plötzlich tauch te Dieter auf. Das war dann schon im Stall, wo Heide und Hajo gerade um den Württemberger herumscharwenzel ten. Das war typisch. Heide hat die Burschen immer für sich in Beschlag genommen. So auf die hilflose Art. Ob sie ihr mal schnell bei irgendwas helfen könnten. So mit Augenaufschlag und Hinternwackeln. Und plötzlich steht der Dieter da und brüllt: ›Ich lass mich
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