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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Ausgehverboten. Nur donnerstags lief es anders, weil Heide um sieben mit Zo ro zur Reitstunde antrat. Da musste Vanessa anwesend sein. Aber einmal war Heide auch überraschend am Montag aufgetaucht. Petra hatte spontan lügen müssen und behauptet, Vanessa sei gerade mal schnell zur Stutenkoppel hinausgeradelt. Zum Glück hatte es Heide nicht weiter interessiert und sie war verschwunden. Aber seitdem hatte Petra immer Angst, dass ihr das nächste Mal keine Ausrede einfallen könnte. Die Reitstunde ohne Vanessa machte keinen rechten Spaß mehr. Überhaupt machte alles weniger Spaß. So wie früher war es nicht mehr, seit Ronni da war.
    Ich strich Petra durch die Dauerwellenfransen. Das Drama, das sich die Mädchen da ausgedacht hatten, machte hinreichend plausibel, warum Petra mir heute Nachmittag auf meine Fragen nach dem Verbleib Vanessas nicht hatte antworten wollen.
    »Du kriegst auch noch deinen eigenen Ronni«, sagte ich. »Aber du kannst froh sein, dass du nicht aussiehst wie Vanessa. Wenn ihr die Kerle nachsteigen, dann hat sie immer den Frechsten und die ganze Zeit Stress. In dich wird sich einer wegen deines klugen Gesichts verlieben. Aber die Dauerwellen, die lass abschneiden.«
    Petra schüttelte den Kopf. »Erstens sind meine Haare voll dünn …«
    »Man soll nicht aufmotzen, was nicht zu retten ist. Schau mich an. Ich versuche auch nicht, Model für die Gesichtspflege von Ellen Betrix zu werden.«
    Petra lächelte unter Tränen und schüttelte erneut energisch den Kopf. »Und zweitens finde ich …« Sie blickte mit Glitzertropfen in den Wimpern zu mir hoch. »Zweitens finde ich Mädchen interessanter.«
    Es fuhr mir unsäglich durch die Glieder. Was mir erst mit Ende zwanzig aufgegangen war, das wusste Petra trotz Dorf mit sechzehn, oder gerade wegen des Dorfs. Da schmorte man im eigenen Saft. Da konnte man nur Bücher lesen oder immer wieder dieselben Trottel treffen. Da geriet nicht alles so stromlinienförmig wie in der Stadt. Da standen die Häuser schief und hatten Kuhstalleingänge. Da gab es den Kinderarzt, der seine Autos auf der Straße reparierte, den blinden Uhrmacher und eine schrullige Witwe wie meine Mutter, Ökofreaks, Dichter und Narren. Da waren abartige Lebensideen möglich, da schickte man revolutionäre Träume los in die Welt, da gestand man sich ein, dass man Mädchen liebte, aber nicht diese dummen Laffen zwischen Pickeln und Ar beitslosigkeit.
    Ich umarmte Petra unwillkürlich heftig, denn ich musste mich an ihr festhalten, um nicht vom Stuhl zu rutschen. Unvermutet süß kam es mir vor, die mausgraue Chemiekrause aus ihren Schläfen zu streichen. Gewitzt ruhten die blaugrünen Augen auf mir. Köstlich waren die Lippen mit dem salzigen Unterschichttrotz. Voll und stark kamen mir Seele und Körper entgegen. Fest waren die Hüften, empfindlich die Innenseiten der Schenkel, schwer die Brüste. Sie hatte pfundweise Lebendigkeit zu vergeben, einen Körper so überwältigend und warm, dass ich am eigenen Glück erstickte.
    Wir fielen vom Stuhl in Klamotten und Stiefel. Es gab, obgleich ich versuchte zu vernünfteln, keine Bremse mehr. Ich konnte die Verantwortung gar nicht übernehmen für das, was ich tat. Heute verlor ich den Verstand und übermorgen verschwand ich in die Stadt und ließ sie sitzen. Aber Pullover, Sweatshirts und Jeans, Socken, Hemdchen und T-Shirts, die neugierig aus allen Ritzen herankrochen, umschlangen uns und verwickelten mich in unaussprechliche Lüste. Petra krallte mir die Hose gleich samt Schlüpfer vom Hintern wie eine Frau, die das schon hundertmal getan hat. Ich habe sie nicht gefragt, woher sie wusste, was passieren musste. Sie tat, was anstand, was sich ergab, was sie wissen wollte. Nie war sie unsicher. Nie zögerte sie. Nie störte ein blödes Kichern. Sie war eine dieser seltenen, überaus kostbaren, verschwenderisch weiblich gepolsterten männlichen Seelen von überwältigender erotischer Sicherheit und der entwaffnenden Begabung, aus einer zuweilen vom Gewissen gebissenen Frau wie mir einen Kinderschänder zu machen.
    Natürlich mussten wir unterm Galopp der Westernmu sik leise quietschen und keuchen, denn jenseits der Tür am Ende des Flurs kochte die Mutter das Abendes sen. Auch mussten wir schnell machen, denn um acht gab es Essen.
    Ich krallte mich in einen Teddybären vom Bett, als Petra mir die Beine auseinanderzog. Immer mal wieder war ein Single-Jersey-Ärmel dazwischen, kroch eine So cke in die Achsel, glitschte ein Reitstiefel unter die

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