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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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eingeladen.«
    Die Abendsonne fiel auf sein rasiertes Gesicht und das heufarbene feuchte gestriegelte Haar und mischte sich in der Iris mit dem Hellblau der Augen zu Wasserfarbengrün. Er hatte seine speckige Zweithaut gegen ein paar Jeans, ein braunes Jackett, ein weißes Hemd und eine blaugrün gestreifte Krawatte getauscht.
    »Meine Mutter«, sagte ich, »Hajo Lem, Hauptbereiter.«
    Sie gaben sich die Hand. Meine Mutter schaute ihn ein wenig herausfordernd an, als ob sie eine Bemerkung über ihre neuartig farbige Kleidung erwarte. Sie verkannte, dass das, was im Moment im Mittelpunkt ihres Denkens stand, ihn nicht berühren konnte, weil er sie nicht kannte.
    »Na«, sagte Hajo stattdessen mit einem Augenwinkelblick über meine nackten Arme und Beine in dem weiß-schwarzen Hänger mit den Trensenapplikationen, »Sie wollen wohl hier noch ein zweites Kleid ruinieren. Pas sen Sie auf, Falko wird Ihnen den Riemen Ihrer Handtasche durchbeißen.«
    »Gib doch Obacht auf dein Sach’«, mahnte meine Mutter.
    Ich argumentierte Falko mit leichtem Daumendruck den Lederriemen aus dem Maul. Er ließ ungern den gut eingespeichelten Riemen los.
    Siglinde erwartete uns an der Tür zur Küche in kur zem Rock auf breiten Hüften. »Frau Nerz, das ist aber nett, dass Sie auch kommen. Geht doch schon mal hinauf. Ich komme gleich.« Sie wandte sich eilig in die Küche, um Mimi Kobel zu sagen, dass sie unauffällig noch ein Gedeck auflegen sollte.

14
     
    Ich spürte Hajos Blick in den Kniekehlen, als wir die Treppe erklommen. Siglinde folgte ihm auf dem Fuße und trat gleich nach uns in den Salon und lenkte Hajo ab. »Was macht Hamsun? Wird sie heute Nacht abfohlen?«
    Er löste den Blick von meinen zu muskulösen Oberarmen. »Gert ist bei ihr. Er sagt Bescheid, wenn es so weit ist.«
    Ich erinnerte mich an die hochtragende Stute neben dem Hauptbeschäler Palas im Stall, die den Knopf von meiner Kostümjacke gerupft hatte.
    Jetzt befingerte Siglinde das silberne Trensenstück an meinem Kleidgürtel. »Passend für den Anlass. So sind sie, die Städter, was, Hajo? Immer richtig angezogen.«
    Hajo blinzelte in ihre schwarzen Locken, die auf ih rem rosa T-Shirt brannten.
    »Du hast keinen Firlefanz nötig wie ich«, sagte ich Siglinde in die Augen, »du siehst einfach sexy aus.«
    Sie erschrak und lächelte. Weniger wüst hätte ich es kaum sagen dürfen, um dieses eifersüchtelige Stutenpiaffieren vor Hajo zu beenden.
    Während Siglinde noch lächelte, bemerkte ich, dass auch der General seine Augen diagonal durch den Salon stielte. Was war denn los heute? Wieso drehten sich auf einmal alle nach mir um? Bürgermeister Wagner war auch wieder da, diesmal mit einer dünnen Frau in ge blümtem Sommerkleid, die sich insgeheim für den Eh ren gast hielt. Beim General stand in naturfarbenem Hanfan zug Gerhard von Sterra, der Neffe von Gallions ver storbener Gattin aus ostpreußischem Adel, der heute die Reste von Gallion Obstsäfte unter ökologischen Gesichtspunkten verwaltete und am Rand von Metzingen ein bundesweit beachtetes Ökohaus aus Holz betrieb, das sich mit seinen Solarzellen auf dem Dach nach der Sonne drehte. Seine Frau, eine Anthroposophin aus Stuttgart, die trotz des festlichen Anlasses nicht auf das fußfreundliche Schuhwerk verzichtet hatte, stand in der Ecke und sonderte ihr Lächeln in homöopathischen Dosen ab.
    »Schau dir das an«, sagte der General aus dem Mundwinkel zu Herrn von Sterra, »fünf Jahre lang haben wir nichts von unserem ehemaligen Familienmitglied gehört, und auf einmal ist sie wieder da. Und das nur wegen ei nes alten Herrn wie mir. Am Ende bleibt sie noch.«
    »Du kommst ganz nach Vingen zurück?«, erkundigte sich Siglinde. Meine Mutter warf mir einen erschreckten Blick zu.
    »Halt die Klappe«, flüsterte ich Siglinde in die Lo cken. »Sonst glaubt am Ende noch jeder, ich hätte es aufs Erbe abgesehen.«
    Es war ein Fehler gewesen, dass ich mich von meiner Mutter hatte überreden lassen, dem Siebzigsten des Alten beizuwohnen. Aber ich gebe zu, dass mich Bongarts Bemerkung, der General habe mich immer gemocht, milder stimmte.
    Mimi Kobel keuchte mit der Suppenterrine die Treppe herauf und Siglinde wies uns die Plätze am großen Tisch zu. Der General präsidierte, Siglinde zu seiner Linken, den Bürgermeister zur Rechten, neben ihm meine Mutter, ihr gegenüber Frau Wagner, von deren Seite Frau von Sterra nicht weichen wollte, sodass Herr von Sterra an die Seite meiner Mutter geriet. Hajo und ich

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