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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Weiber. Also lass den Hajo in Ruhe und meine Siglinde, und sag mir nicht, was ich zu tun habe. Und geh mir aus dem Weg.«
    Er schubste mich beiseite und verließ das Zimmer.
    Ich zündete mir auf dem Balkon eine Zigarette an. Fledermäuse schwirrten im schwindenden Zwielicht. Drosseln sangen, Amseln auf den Häusern und Wipfeln, und fern im Gebüsch der Ars, dort, wo die Pferde die Nacht verbrachten, begann eine Nachtigall ihr Lied. Kühl strich mir die Luft um die Schultern. Ein heller Pferdekopf schimmerte vor dem schwarzen Loch der Außenbox. Vielleicht war es Falko, der über den Hof lauschte. Ich sah ihn auch, den Mann mit weißem Haar, bevor er um die Remise verschwand. Gallions Weinkeller aber befand sich genau unter der Küche.
    »Was war denn?«, fragte Siglinde plötzlich bei mir draußen auf dem Balkon. Über ihre Locken sprangen rotschwarz die Lichter vom Zimmer hinter ihr.
    »Deinen Vater reitet der Teufel. Du solltest ihn umbringen, bevor er sein Testament macht.«
    »Aber vielleicht hat er schon eines gemacht.«
    »Aha. Du hast tatsächlich schon darüber nachgedacht.«
    »Quatsch!«
    »Mach dir nichts draus. Die meisten Leute denken irgendwann einmal über Mord nach. Man kann so viele Probleme lösen, wenn man störende Menschen beseitigt. Die meisten tun es nur nicht. Denn hinterher hat man noch größere Probleme mit der Polizei. Es sei denn, keiner merkt, dass es Mord war. Deinem Vater brauchtest du nur eine gute Suppe mit Schnittlauch und Eibengrün machen. Das gibt Brechdurchfall. Alte Leute sterben zuweilen an Durchfall. Zwar könnte euer Hausarzt ahnen, dass es eine Atropinvergiftung ist. Aber er wird sich hü ten, auf dem Totenschein ›nicht natürliche Ursache‹ anzukreuzen und euch die Polizei ins Haus zu bringen. So etwas spricht sich im Dorf herum und die Patienten laufen ihm weg.«
    Siglinde lachte äußerst unbehaglich.
    Ich nahm sie bei der Hand und zog sie weg von der Tür in den Einblickschatten der Hauswand. »Hörst du die Nachtigall? Die Welt hat viel Anlage zum Paradies.«
    Hätte es nur den Apfel nicht gegeben. Wieder einmal fragte ich mich, warum das christliche Dogma den Apfel nicht tabuisiert hatte. Herrschte doch allgemeiner Konsens darüber, dass es sich bei der Frucht des verbotenen Baums um einen Apfel gehandelt hatte. Aber Pfaffen und Mütter waren sich einig, dass es ohne Apfel nicht ging, zumal in einer Obstbaumgegend wie dieser. Auf dass wir täglich unsere Unschuld verlieren und die Strafe ihren Sinn bekommt.

15
     
    Um halb elf hatte Gott ein Einsehen und ließ uns gehen. Der General wollte ins Bett. Auch Siglinde, die um sechs wieder rausmusste, hatte schon ganz kleine Augen. Mei ne Mutter war hingegen gar nicht müde und blieb in der of fenen Küchentür stehen, um Mimi Mut zuzusprechen, die den Abwasch aber schon halb hinter sich gebracht hatte.
    »Was machen Sie denn mit den Resten?«
    Ich zupfte meine Mutter am Blusenärmel hinaus, ehe sie sich den kalten Broccoli einpacken ließ. Siglinde brachte uns dann noch über den dunklen Hof. Am Durchgang zum Parkplatz gab sie uns die Hand.
    Emma stand mittlerweile mutterseelenallein auf dem immerhin von einer Laterne beleuchteten Parkplatz. Die anderen waren schon alle abgefahren. Ich führte meine Mutter über den Kies – nachts sah sie nicht mehr so gut – und machte ihr die Tür auf. Vom roten Leder meines Sitzes musste ich ein paar Ebereschenblätter fegen, die der Baum über uns hatte fallen lassen, bevor ich mich hinters Steuer setzte. Inzwischen war es nicht mehr nur kühl, es war eisig. Ich hätte eine Jacke mitnehmen sollen. Ich hät te auch das Verdeck zumachen können. Aber für die paar Minuten bis in die Wieselstraße lohnte sich das nicht.
    Emma war alt und hatte ihre Mucken. Der Motor hustete. Schon beim rückwärts Ausparken hätte mir auffallen müssen, dass mit der Bremse etwas nicht stimmte. Als ich den Weg zur Landstraße hinabrollte, etwas zu schnell, weil fröstelnd verkrampft und damit Emma sich freihustete, und als ich dann bremsen wollte, bevor ich auf die Landstraße bog, da musste ich pumpen und hatte keine Bremse mehr.
    Von rechts eierte ein Scheinwerfer herbei. Dem würde ich genau vor den Bug rollen. Ich war schon zu dicht an der Straße und zu schnell, um Emma herumzureißen und in einen Koppelzaun lenken zu können. Ich war praktisch schon auf der Straße und trat das Gaspedal ins Bodenblech.
    Meine Mutter kiekste. Rechts schrillten Reifen. Emma sprang über die Straße, schlug mit

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