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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Falte in der Stirn. »Sie ha ben die Unfallstelle nicht abgesichert.«
    »Die da«, sagte der GTI-Fahrer, »ist einfach aus dem Feldweg rausgefahren.«
    »Meine Bremse hat versagt.«
    Die Polizisten trennten uns. Der Jüngere ließ sich vom GTI-Fahrer seine Unschuld beteuern, der Ältere nahm sich meiner an. »Sie schlottern ja. Ist Ihnen kalt? Kommen Sie, setzen wir uns in den Wagen.«
    Im Polizeiauto war es windstill und stickig. Ich verwies auf meine Mutter, die man daheim als Zeugin befragen könne, und endete unversehens bei dem Unfall, den Todt und ich auf der anderen Seite von Vingen gehabt hatten.
    »Ich erinnere mich daran«, sagte der Polizeihauptmeister. »Ich war damals zwar nicht an der Unfallstelle, aber so was lässt einen ja nicht kalt. Sie sind also Todt Gallions Frau?« Er musterte die Narben in meinem Gesicht. »Und jetzt sagen Sie, die Bremsen hätten damals versagt. Sie kommen ein bisschen spät damit. Das lässt sich heute nicht mehr nachprüfen. Aber wenn diesmal die Bremsen versagt haben, dann wird das morgen der Sachverständige feststellen. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Er sah mich an, als erwartete er, dass ich meine Aussage als Ausrede widerrufe. Aber das Ebereschenblatt, das zwischen Haube und Kotflügel geklemmt hatte, war ein eindeutiger Beweis, dass jemand auf dem Gestüts parkplatz seine Finger in Emmas Motorblock gehabt hat te. Ich hatte den General über den Hof gehen sehen, als er vorgab, Wein aus dem Keller zu holen. Und ob Hajo jedes Mal bei der Stute gewesen war, wenn er für zehn Minuten verschwand, war auch fraglich. Um das Dutzend vollzumachen, auch Dieter Bongart hatte gewusst, dass mein Auto mit Stuttgarter Kennzeichen an diesem Abend auf dem Gestütsparkplatz stehen würde.
    »Emma … ich meine, mein Auto ist zwar ein altes Au to, aber …«
    Der Jungbulle unterbrach uns. Er beugte sich zum Fenster herein, um sich den Alkoholautomaten geben zu lassen.
    »Ich muss auch Sie fragen«, sagte mein Hauptmeister, »ob Sie etwas getrunken haben.«
    »Ein Glas Wein zum Essen und einen Obstler hinterher.«
    »Hm. Dann rufen wir mal den Abschleppdienst.«
    Manchmal war es hilfreich, eine Frau im viel zu leichten Kleidchen zu sein und verwirrt einem älteren Herrn das Herz auszuschütten. Er füllte den Unfallbericht aus, schrieb mir seinen Namen, Weckerle, auf einen Zettel und bat mich, ihn anzurufen, wenn mir noch etwas einfiele.
    Um halb zwölf kam der Abschleppdienst. Es war nicht schwierig, den GTI aus dem Graben zu ziehen, aber Emma stellte sich wie üblich störrisch an. Es war ihr letzter Protest.
    Weckerle und sein Kollege wurden zu einem weiteren Einsatz gerufen. Der Abschleppwagen stand mit der Schnauze in Richtung Eningen und konnte auf der Landstraße nicht wenden. Es war den Männern zwar peinlich, mich allein auf der Straße zurücklassen zu müssen, aber ich behauptete, jemand vom Gestüt könne mich heimfahren.

16
     
    Die Nachtigall sang. Ich ging die Zufahrt hinauf zum Gestüt. In keinem der Häuser brannte noch Licht. Ich gab meine Absicht auf, Gallion zur Rede zu stellen. Mir war nicht aggressiv genug zumute. Der Blutstropfen auf der Stirn meiner Mutter schnürte noch an meiner Kehle. Von Kindheit an war ich darauf getrimmt, kleine Zeichen als große Mahnungen zu verstehen. Ich war zu weit gegangen heute Nachmittag bei meinem Rechten mit meiner Mutter. So was rächte sich.
    Von den Außenboxen drang leises Schnauben über den Hof. Der nachtfüllende Jubel der Nachtigall lockte mich über die Arsbrücke zwischen die Koppeln. Ich hör te Pferde über den harten Boden traben. Wind rauschte in den Bäumen und wehte den Geruch nach Erde, Gras und Herde herbei. Das Mondlicht formte Pferdeleiber im Dunkeln. Sie kamen an den Zaun. Weiche Mäuler und schnobernde Nüstern begrüßten mich wie ein fremdes Fohlen, forderten mich zum Mitkommen auf, fort in die Prärie.
    Die Illusion endete für sie am nächsten Koppelzaun und für mich, als ich Licht bemerkte. Es fiel aus einem Spalt der Schiebetür des vom Hauptweg zurückgesetzten Stalls, in dem Palas und Hamsun und die beiden alten Stuten untergebracht waren. Durch den Spalt drohte mir die Schnauze des Belgischen Schäferhundes, ganz schnurrhaargesträubte knurrende Wachsamkeit.
    »Bär, was ist?«, sagte drinnen Hajo. Seine Hand lang te dem Hund ans Halsband. Die andere schob die Tür auf. Er war zu verblüfft, zu erschrocken eigentlich, um die Maske rechtzeitig auf sein Gesicht zu bekommen. Ich sah in Abgründe

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