Pferdekuss
sagen.
»Gut siehst du aus«, sagte ich stattdessen, denn Petra hatte die Dauerwellen mit Wetgel zu strengen Kringeln nach hinten gekämmt und ihr volles Gesicht mit den grünblauen Augen und dem trotzigen Unterschichtzug von allem Firlefanz befreit. Ich war berauscht. Sie stellte mich den Schnuten vor, verabschiedete sich dabei von ihnen, sprang vom Brunnenrand herunter und kam an meine Seite. Ich dankte Gott, dass ich eine Frau war und niemand Petra und mich schief ansehen musste, nur weil wir verliebt nebeneinander gingen. Mit dem Fahrrad zwischen uns und unserem weiblichen Getratsche führten wir sie alle in die Irre, die drei Schnuten am Brunnen, die Alten mit den Gemüsetaschen an der Ecke und den Pfarrer.
»Wie geht’s dir?«
Petra lächelte fein, sogar ein wenig verschmitzt. Sie lächelte, als wüsste sie um meine Gier und mein schlechtes Gewissen und als brauchte ich mir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.
»Was für ein Auto fährt Vanessas Mutter eigentlich?«
»Einen blauen Polo«, sagte Petra. »Warum?«
»Blaue Polos gibt es tausende. Ich hatte auf einen roten Mazda MX5 gehofft, den jeder in der Gegend kennt. Ihr Wagen muss hier irgendwo stehen. Vielleicht am Reutlinger Bahnhof. Da hätte ich ihn jedenfalls abgestellt.«
»Wie?«
»Ja, Petra, ich habe Grund zu der Annahme, dass Vanessas Mutter nicht auf Teneriffa angekommen ist.«
Sie sah mich an. Die gegelten Lockenwürmchen wippten an den Schläfen. Ich musste mich am Fahrrad festhalten, um ihr nicht in die Haare zu fassen und sie an mich zu ziehen.
»Findest du es nicht seltsam«, fragte ich, »dass Ronni nicht nach Vanessa gesucht hat? Auch mit dir hat er nicht Kontakt aufgenommen, oder?«
»Shit!« Petra blieb stehen. »Jetzt kapier ich erst. Vanessa ist nicht tot. Es ist Heide. Und Vanessa ist mit Ronni in Tübingen, wie’s geplant war. Du meine Güte, ich werd verrückt. Wenn das wahr wäre! Wow!«
Ich mochte ihre Freude nicht durch den Hinweis dämpfen, dass in diesem Fall Vanessa die Mörderin ihrer Mutter sein könnte.
»Ich hänge mich gleich ans Telefon«, sagte Petra. »Das krieg ich raus, wenn die in Tübingen sind. Ich habe die Nummer von einem von Ronnis Kumpels.«
»Tu das«, sagte ich lahm. »Und ruf mich an, sobald du was weißt.«
»Mach ich.«
Unsere Finger berührten sich, als ich ihr meine Visitenkarte mit der Nummer meines Handys gab. Mit X-Beinen und fülliger Weiblichkeit auf den Hüften stieg sie die Berggasse hinan. Kiloweise war sie den fadendünnen Teenies überlegen. Ich warf Hajos Fahrrad gegen die nächstbeste Hauswand und rannte los. Im Hauseingang Nummer 12 holte ich sie ein. Das Kinderzimmer war aufgeräumt, die Reitstiefel standen ordentlich in der Ecke. Ich riss Pullover, T-Shirts und Jeans aus dem Schrank, küsste ihr den Protest von den Lippen und zog sie auf den Boden. Als ihre Brust in meiner Hand wabbelte wie ein flüchtiges Stück Wackelpeter, fiel mir Sallys Freundin ein. Das heißt, zunächst fiel mir Sally ein, die meine sexuellen Neigungen nur unterstützte, wenn sie sich auf Männer bezogen, genauer auf Richard, sich aber im Glauben sonnte, dass ich sie insgeheim heiß begehrte. Dann fiel mir Sallys Freundin ein, die bei Luft hansa arbeitete. Ich angelte das Handy aus meinem Ja ckett, das sich bereits lüstern mit Petras Jeans verschlungen hatte, und rief Sally an, während Petra mir die Socken von den Zehen zupfte.
»Sally, du musst mir einen Gefallen tun.«
»Du klingst aber komisch. Ist was?«
Petra senkte nur eben den Zeigefinger zwischen meine Zehen und ich musste mein Lustgeheul unterdrücken.
»Nein, Sally, kannst du mal deine Freundin bei Lufthansa anrufen. Ich muss wissen, ob eine Heide Bongart den Flug Frankfurt-Teneriffa für Freitag früh um halb neun gebucht hat und geflogen ist.«
»Mach ich. Aber ich finde trotzdem, dass du irgendwie komisch klingst.«
Ich stopfte mir einen Sweatshirtärmel in den Mund. »Ich räume nur gerade mein Kinderzimmer auf.«
»Spinnst du?«
Ich drückte Sally weg, warf das Handy über die Schulter ins Bett und nahm mir eine baumwollige Auszeit.
21
Hajos Fahrrad lehnte noch am untersten Haus der Berggasse. Wer klaute auch ein so altes Ding. Ich fuhr nicht auf den Gestütshof, sondern bog vorher zwischen Parkplatz und Remise auf den Weg ab, den die Heuwagen nahmen, wenn sie außen um die Gebäude herum zur Scheune an der Ars gelangen wollten, und lehnte das Fahrrad neben die Küchentür. Mimi saß drinnen und las bunte
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