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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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und Denken in eine Linie bringen musste. Dazu musste er seine Wahrnehmung analysieren. Aber er war eben kein analytischer Mensch. Er hatte von Anfang an gewusst, was die Leiche in Prinz’ Box für ihn und das Gestüt bedeutete, wer sie war, wer sie womöglich getötet hatte und warum. Aber er hätte nicht erklären können, woher er das wusste und woraus er es schloss.
    »Übrigens«, sagte er, »hat der Alte heute Morgen darauf bestanden, dass ich ihm den Namen unseres Fohlens aufschreibe. Er wollte wissen, ob sich Haifa mit e-i oder a-i schreibt. Er hat nichts gelten lassen. Ich musste zugeben, dass ich keine Ahnung habe.«
    »Scheiße!«
    »Du sollst nicht fluchen!«, sagte meine Mutter.
    »Ich fluche nicht. Wenn ich verdammt! sagen würde oder zum Teufel mit dem General! oder cago en Dios!, dann würde ich fluchen.« Vorsichtshalber übersetzte ich ihr das spanische ich scheiß auf Gott nicht. »Kann der General denn niemanden in Ruhe lassen! Wieso hat ihm der gestrige Test nicht gereicht?«
    »Er hat gesagt, ich hätte geschummelt.«
    »Mama! Hast du ihm etwa verraten, dass ich geholfen habe?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Diese knittrige Person war es. Diese Frau von Sterra, die neben dir saß. Aber die sollte erst mal ihre Blusen richtig bügeln.«
    Hajo lächelte fein.
    »Und jetzt regt euch nicht auf«, sagte meine Mutter. »Was ist denn schon passiert? Wenn Herr Hajo schreiben lernen will, dann bringen wir es ihm eben bei. Dem Chef werden wir es schon zeigen, was, Hajo? Sie sind doch ein ordentlicher Bursche.«
    Das waren ja interessante Verabredungen, die meine Mutter traf. Wie unterschiedlich doch die Optik der Generationen war. Hätte ich meiner Mutter einen Mann mit Krawatte angeschleppt, dann hätte sie sogleich den Liebhaber gewittert, der mich ums Eheversprechen betrog, während ihr dieser Mensch, dem die Männlichkeit aus allen Poren quoll, völlig harmlos erschien.
    »Dann vielen Dank«, sagte Hajo und stand auf.
    »Aber bleiben Sie doch zum Essen. Es ist genug da.«
    »Danke, sehr freundlich, aber ich muss wirklich ge hen. Ich muss ein Loch im Koppelzaun suchen. Und ehe man sich’s versieht, wird es dunkel.«
    So wie er redete, musste er mehrere hundert Kilometer per Rad vor sich haben. Mir kam der leise Verdacht, dass er sich von dieser Mittagspause mehr erhofft hatte als ein sittsames Buchstabenmalen in der Küche meiner Mutter und nun schnell wegzukommen versuchte, um den Mittagstisch im Gestüt nicht zu verpassen.

26
     
    Ich lag auf meinem Bett, die Madonna im Auge, und wartete auf den allergischen Schock auf Bremsengift, der längst hätte kommen müssen, nun aber wohl nicht mehr kommen würde.
    In den umliegenden Gärten war Mittagsruhe einge kehrt. Meine Gedanken gingen wie Mühlräder und war fen Mistgabeln, Leichenteile und Goldketten aus.
    Hatte nun also Heide Bongart vom General die Ehe verlangt, weil sie schwanger war? Hatten sie gar gemeinsam nach Teneriffa fliegen wollen, um verheiratet wiederzukommen? Siglinde hatte es rechtzeitig gemerkt, Heide zum Streit in den Schulstall gelockt und sie mit der Mistgabel in Prinz’ Box geschoben. Womöglich war der Mord nicht geplant gewesen, sondern Ergebnis von Siglindes Zorn.
    Seit Donnerstagabend soff Aggi und kam nicht mehr aus seiner Trunkenheit heraus. Der Teufel Alkohol liefer te ihm unentwegt Nachschub. Vielleicht, weil Aggi den Mord beobachtet hatte. Vielleicht sorgte Siglinde dafür, dass er nun ständig betrunken war und mit drei Promille im Blut demnächst in der Ars ertrank.
    Hätte sie nicht die Leiche besser Donnerstagnacht weggeschafft, um sie beispielsweise im Stausee am Elektrizitätswerk zu versenken? Wahrscheinlich hatte sie es gewollt, denn Schmuck, Autoschlüssel und alle persönlichen Gegenstände hatte sie der Toten ja abgenommen. Aber dann hatte sie das Transportproblem nicht lösen können. Es bestand Gefahr, dass sie einen Finger im Stroh übersah, eine Hand unterwegs verlor, dass überall Blut klebte, an Schubkarren, Plastikplanen, im Kofferraum. Aber nun war die Leiche unkenntlich gemacht, also fuhr sie wenigstens Heides Wagen noch vom Parkplatz. Wenn ich ihre Angst bedachte, als Feil von ihr verlangte, sich die Leiche anzusehen, dann war wohl auch Siglinde nach der Tat nicht kaltblütig gewesen und hatte Fehler gemacht.
    Ein Hund kläffte. Ich fuhr aus dem Halbschlaf.
    Es sprach viel dafür, dass der General davon wusste. Warum sonst war er Freitag früh nicht zu der gemeinsam geplanten Reise mit Heide

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