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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mich ab. Die Herren waren zu gut drauf nach ihrem Ritt und ihren Weizenbieren, als dass sie mir weiterhelfen konnten.
    »He, Moment, Frau Gallion …«
    Ich fuhr herum. »Ich heiße Nerz!«
    »’tschuldigung. Aber Sie send doch die Schwägerin von Siglinde, oder net?«
    »Ein Irrtum, ein fataler Irrtum.«
    Die Sache mit meinem Namen hatte den Vingenern immer schon Schwierigkeiten bereitet. Wer mich als Kind kannte, nannte mich auch verheiratet weiterhin Frau Lisa oder einfach nur Lisa, die anderen aber stolperten ständig über Gallion und Nerz und über die Frage, warum ich den Namen meines Mannes nicht tragen woll te. Der General hatte mir, weil er sich auf dem Standesamt überrumpelt fühlte, gleich auf dem Rathausplatz die Freundschaft aufgekündigt, ehe er sie mir angeboten hat te. Was ich denn gegen seinen guten Namen einzuwenden hätte. Ich hielt ihm seinen Vater, den Gauleiter in Polen, nicht vor, aber er mir meine Mutter, die Betschwester. Ob die sich zu fein sei, zu meiner Hochzeit zu erschei nen? Oder ob für sie die Ehe erst Gültigkeit hätte, wenn wir in der Kirche getraut worden wären? »Aber die Kinder hei ßen Gallion, dass das klar ist.
    Und katholisch sind sie nicht!« Ich entwickelte sofort eine tiefe Abneigung dagegen, kleine Gallions zu werfen.
    Als ich wieder unten auf dem Hof stand, sah ich ihn dann jenseits der Bücke. Der General trug Stiefel und gebauschte Jodpurhosen. Gerade führte man ihm einen Braunen vor. Ein Bursche hielt ihm den Steigbügel. Der Alte zog sich immer noch recht rüstig in den Sattel, tipp te sich an die Mütze und setzte das Pferd in Gang. Ich schrie, aber er hörte mich nicht. Es drehten sich nur Umstehende um. Im Leichttrab entfernten sich Pferd und Reiter auf dem Hauptweg gen Norden. Eine Weile noch sah ich seine Mütze über dem Pferdehintern auf- und niedergehen. Dann füllten Leute und Pferde die Bresche.
    Da stand ich nun, mitten im sonnigen Freizeittreiben zwischen Pferden und Reitern, die Sättel auflegten, und wünschte mir wie in Kindertagen, dass ein mitfühlender Mensch mir sein Pferd anböte, einfach so, allein wegen meiner sehnsüchtigen Augen. Ich musste wohl versu chen, eines aus dem Schulstall zu entführen.
    Da klingelte das Handy. Petra! Das hatte ich ganz vergessen. Ihre Stimme kitzelte meine Sinne.
    »Also«, sagte sie, »ich fahre jetzt mit Klaus nach Tü bingen. Ich habe die Adresse von dem Kumpel von Ron ni, wo sie ursprünglich hinwollten. Da fahren wir jetzt erst mal hin.«
    Falko fiel mir ins Auge, der von seiner Herrin vom Reitplatz zu den Ställen gezerrt wurde.
    »Hast du denn was von Vanessa gehört?«
    »Nicht direkt. Aber ich habe mit Ronnis Mitbewohner in Reutlingen gesprochen. Er hat die beiden zwar am Donnerstagabend nicht gesehen, aber als er gestern früh heimkam, hätten zwei Frühstücksteller in der Küche gestanden. Er geht davon aus, dass die beiden in Tübingen sind, wie geplant. Bei diesem Wetter sind sie aber wahrscheinlich irgendwo draußen.«
    »Na gut. Solltest du sie finden, dann kommt ins Ge stüt, ja?«
    Ich machte eilends Schluss, steckte das Handy weg und trat Falko und seiner Besitzerin in den Weg. Das Pferd war trocken, die Halterin erhitzt.
    »Entschuldigen Sie. Würden Sie mir wohl Ihr Pferd mal für eine Stunde leihen?«
    »Wie?« Eine Wolke verschwitzten orientalischen Parfüms kam mir entgegen. Die Dame hatte einen wirklich irren Blick, so eine Doppellaufflinte, mit der sie auf alles feuerte, was noch in den Windeln gelegen hatte, während sie schon Umgang mit Pferden hatte. Argumenten waren solche Reiter nicht zugänglich. Aber ich konnte auch nicht einfach aufspringen, denn sie hatte Falko nach dem Ritt ordnungsgemäß den Sattelgurt gelockert.
    »Ich brauche ganz schnell ein Pferd. Es ist ein Notfall.«
    »Was?«
    Ich trat an Falko heran, schlug das Sattelblatt hoch und zog schnell die eine der beiden Gurtschnallen fest.
    »He! Weg da. Was machen Sie denn?«
    »Bitte! Sie kriegen ihn doch wieder.«
    Ich angelte nach der zweiten Sattelgurtschnalle.
    Die Dame sprach nicht, sie schubste. Falko legte die Ohren an. Ich wehrte sie mit dem linken Arm ab, bekam aber die Schnalle einhändig nicht zu. Da pfiff mir auch schon die Gerte über den Rücken. Solche Gerten konnten einem das Fleisch bis auf die Knochen durchhauen, aber mein Jackett fing das Schlimmste ab. Doch Falko riss den Schädel hoch und tänzelte. Um ihn zu halten, musste die Dame mit der zweiten Hand nach dem Zügel greifen. Dabei geriet ihm die

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