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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Humorlosigkeit in den Augen, die Männer anfällt, wenn ihnen das Liebesspiel zur Strafaktion missrät.
    Ich fasste mit der freien Hand nach seiner an meinem Handgelenk und drehte sie ab, dass ihm die Gelenke bis hinauf in die Schulter knirschten. Er zog den Atem an. Das tat nun doch weh.
    »Ich habe dich gewarnt«, sagte ich.
    Seine Augen verengten sich.
    Fast tat er mir leid. Aber ich musste sein Konzept von Männlichkeit prinzipiell ablehnen. Er durfte nicht durchkommen mit dem Anspruch, den er aus dem Umstand ableitete, dass ich kurze Röcke trug und mit ihm um Mitternacht ein Fohlen zur Welt brachte. Allerdings hätte mir auch klar sein müssen, dass ein Mann wie Hajo, der täglich seinen Willen gegen die Kreatur durchsetzte, die er zwischen die Beine nahm, sich nicht geschlagen gab, wenn ich ihm bei der ersten Abwehr nicht wenigstens den Arm brach.
    Er fiel mich so schnell an, dass ich auf dem Rücken vor Falkos Füßen lag, ehe ich Luft holen konnte. Seine Hand lag an meiner Kehle, sein Schwanz knüppelte gegen meinen Schenkel. Der polnische Zigeuner hatte nichts mehr zu verlieren. Er befand sich so gut wie im Gefängnis. Und er hatte wohl auch in Marbach den Wil len eines Mädchens missachtet.
    Du kannst dich wehren, ging mir durch den Kopf. Ich beherrschte genügend Kampftechniken, um ihn loszuwerden und bewusstlos zu würgen. Aber gleichzeitig wurde mir klar: Ich wollte. Er hatte recht. Ich wollte. So gar eine Banalität rechnete ich mir aus, nämlich, dass Hajos Deckakt keinen Nachwuchs zeugen würde. Vielleicht war es die Gefahrlosigkeit, eben das reine Spiel, das mich verführte. Wie ein Hengst spürte Hajo augenblicklich, wann der Gegner die Rangelei abbrach und sich geschlagen gab. Er lächelte, wie ich noch nie einen Mann hatte lächeln sehen, triumphierend, aber auch überrascht, geschmeichelt und dankbar, zugleich rücksichtslos und auch wieder respektvoll.
    »Aber«, ächzte ich, »dafür gehst du mit mir auf den Hof zurück.«
    »Von mir aus.« Zärtlich fingerte er mir die nassen Haare aus der Stirn.
    Falko spitzte die Gazellenohren, schnaubte, senkte den Schädel, beschnoberte mein Gesicht und Hajos Hand, versprühte grashalmhaltigen Schaum, kitzelte mit den Barthaaren meinen Hals und knabberte an Hajos Schulter. Vorsichtig hob er den Huf mit dem blanken Eisen und setzte ihn bedachtsam über unsere Köpfe hinweg. Hajo kümmerte es nicht, dass wir zwischen Falkos Vorderbeinen lagen. Das Pferd schnaubte, schnorchelte anteilnehmend, stupste gönnerhaft und stellte die Ohren. Wie eine Wolke blähte sich Falkos weißer Bauch über uns, wie Bettpfosten säulten die vier Beine in den Himmel.
    So ging das mit dem freien Sprung auf der Weide.

31
     
    Jahrelang habe ich mich gefragt, ob das eine Vergewaltigung war. Mir hatte es nicht an der körperlichen Fähigkeit gefehlt, mein Nein durchzusetzen. Ich hätte mich wehren können. Ich hatte gewusst, dass einer wie Hajo nicht mit Worten abzuwehren war, aber sehr wohl, wenn er spürte, dass ich bis zum Letzten zu gehen bereit gewesen wäre. Doch mir war unterwegs der Wille abhandengekommen. Sein männlicher Zorn hatte mich überrumpelt, seine Gier mir geschmeichelt, sein Feuer, alles zu riskieren, mich fasziniert. Meiner Keile war er nur ausgewichen wie ein Hengst den Hufen der Stute, die noch nicht so weit ist, wissend, dass es ihr letztlich egal ist, welcher Hengst sie bespringt, wenn er nur stark genug war, Konkurrenten zu vertreiben, mich zu isolieren und genau dann präsent zu sein, wenn mich die Hormone kir re machten. In diesem Moment war der erklärte weibliche Wille nur eine verkopfte Spielerei, die hinter der Gewalt männlicher Bestimmung zurückstand. Archaisch, aber erfolgreich. Ich hätte mich ja wehren können. Ich war nicht etwa vor Angst gelähmt gewesen.
    Falko rupfte wieder Gras. Die Junghengste weideten sich gen Westen. Nicht schuldbewusst, aber überraschend scheu klopfte Hajo mir Pferdehaare und Schaum vom Jackett. Der gemeine Zug war vorübergehend von seinen Lippen verschwunden. Er nahm meine Hand wie einer, der das nie in seinem Leben getan hatte, zaghaft beseligt, dass der Umgang unter Menschen nach dem Akt eine zärtliche Nachsorge erlaubte.
    Mit der anderen Hand zog er Falkos Maul aus dem Gras. Wir erklommen die Kuppe und erreichten endlich das Koppeltor, vor dem Hajos Fahrrad lehnte. Er ließ Falko und mich raus, zog das Tor zu und verschloss das Hängeschloss. Dann griff er an den Lenker seines Fahrrads und mit der freien linken

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