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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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zumindest in
diesem Punkt bei, meine Teuerste. Vielleicht war mein Zitat
ungeschickt gewählt. Jedoch, was nützt einer Frau Bildung?
Nicht alle Ihrer Geschlechtsgenossinnen haben es vor, ihr Dasein als
Staatsoberhaupt zu fristen. Sicher, es gibt rare Ausnahmen, wie Sie
eben erwähnten, doch die meisten Frauen sehen einer anderen
Zukunft entgegen.«
    » Kann
das nicht auch daran liegen, dass man ihnen den Zugang zur Bildung
nicht gewährt?«, konterte Charlotte. »Ich bin
überzeugt, dass auch Frauen ihren Beitrag zur Entwicklung und
Erforschung unserer Welt beitragen könnten, so sie denn
Gelegenheit dazu hätten. Nehmen Sie doch nur zum Beispiel
Sybilla Merian, deren unbestrittenes Genie sogar bis an den Hof des
Zaren vorgedrungen war und überall geschätzt wurde. Sie
konnte ihre Fähigkeiten nur entwickeln, weil ihr
verständnisvoller Stiefvater ihr Talent früh gefördert
hatte. Und was würde der Wissenschaft fehlen im Bereich der
Botanik und Arzneimittelkunde, gäbe es ihre hervorragende Arbeit
nicht? Und gab und gibt es nicht auch in London Damen der
Gesellschaft, die von unseren größten Dichtern und Denkern
als Gesprächspartnerinnen geschätzt und anerkannt werden?
Man denke nur an Lady Elizabeth Montagu (38)!«
    Das
Echo der Zuhörer war geteilt über dieser Rede. Manche
wiegten nachdenklich das Haupt, während andere beifällig zu
nicken begannen. John, der wirklich stolz war auf Charlottes
kenntnisreiche Beweisführung, bemerkte trotzdem mit
Beunruhigung, dass Terency inzwischen Zeichen der Wut erkennen ließ.
War es geschickt von ihr, ihn so offen zu reizen? Dennoch vertraute
er ihrem Urteil rückhaltlos. Wahrscheinlich hatte sie sich lange
vorher Gedanken gemacht, wie sie am besten auf Terencys unzweifelhaft
erfolgende Angriffe reagieren könnte.
      Sich
dessen bewusst, dass etliche Augenpaare seine Reaktion genau
beobachteten, beschloss Terency schließlich zähneknirschend,
einzulenken und sagte: »Da Sie so überzeugt von Ihrer
Sache sind, will ich Ihnen ausnahmsweise heute Abend Ihren Willen
lassen. Sie sind eben ein kleines, störrisches, wenn auch
reizendes Frauenzimmer. Wir werden die Diskussion ein andermal in
vertraulicher Runde fortsetzen.« John wurde mit Schrecken klar,
dass Terency Charlotte damit gerade Vergeltung für seine
Schlappe angedroht hatte. Auch Charlotte hatte dies erkannt. Das sah
er an ihrem Gesichtsausdruck, der für einen kurzen Moment Furcht
zeigte. Doch da fuhr Terency schon fort: »Sie sehen, Mr
Springer, es hatte von jeher keinen Sinn, die junge Dame von ihrem
Wunsch abzubringen, bei der Fuchsjagd mitzureiten und deshalb habe
ich sie auch eingeladen. Ich werde allerdings persönlich ein
Auge auf sie haben, damit sie uns nicht zu Schaden kommt, die
Teuerste.« Er fixierte seine Sitznachbarin kurz mit einem
lauernden Blick, dann wandte er sich demonstrativ wieder seinem
Freund zu und plauderte, als wäre nichts geschehen. Das Gespräch
der Übrigen lebte wieder auf, man hatte verstanden, dass die
interessante Konversation vorerst beendet war. John, der seinen Blick
weiterhin auf Charlotte gerichtet hatte, sah, wie sie kaum merklich
in sich zusammensank. Sie stand unter einer außerordentlichen
Belastung, das war offensichtlich. Er hätte viel darum gegeben,
ihr jetzt offen beistehen zu können! Da fing er plötzlich
ihren Blick auf. Für einen kostbaren Moment ließ sie ihn
teilhaben an ihrem Kummer und ihrer Angst und nährte damit seine
Hoffnung, dass sie doch bereit wäre, seine Hilfe anzunehmen.

Kapitel
30

    Etwas
übernächtigt betrat John am nächsten Morgen den
Frühstückssalon, in dem sich schon einige Gäste an
einem opulenten Morgenmahl gütlich taten. Percy Wellesley
schlief noch. Es war am letzten Abend spät geworden. Man hatte
die gestrige Gesellschaft noch in Gruppen verbracht und sich
verschiedentlich die Zeit mit dem üblichen Kartenspiel,
Gesprächen und Rauchen sowie – was die Herren betraf –
reichlich Alkohol vertrieben. Es war John nicht gelungen, Charlotte
allein zu sprechen. Sie hatte sich zu den anderen jungen Damen
gesellt und achtete peinlich genau darauf, niemals allein zu sein.
Obwohl er dies bedauerte, konnte John ihr Verhalten gut verstehen.
Die Anwesenheit der anderen Damen war wie eine Art Schutzschild für
sie. Er selbst hatte es vermieden, sich mit Terency direkt
auseinanderzusetzen, war jedoch unauffällig in dessen Nähe
geblieben. Immer deutlicher trat zutage, welch perfides Spiel dieser
trieb. Seine drei Freunde – oder

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