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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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Halle erfüllt hatte,
dämpfte sich vorübergehend zu gepflegterer Konversation.
    Ein
älterer Gentleman, der Charlotte schräg gegenübersaß
und sich bisher mit Lady Millford unterhalten hatte, richtete,
während er mit dem enormen Stück Fleisch auf seinem Teller
kämpfte, das Wort an sie: »Miss Millford, wie ich höre,
wollen Sie es wagen, an der Fuchsjagd selbst teilzunehmen. Ich muss
sagen, ich bin doch recht erstaunt darüber: eine so zarte junge
Dame wie Sie und dann dieser blutige Männersport?«
    Ehe
Charlotte auf die Anfrage des durchaus freundlichen alten Mannes
selbst antworten konnte, hatte sich Terency bereits, obwohl eben noch
mit einem seiner zweifelhaften Freunde ins Gespräch vertieft, in
die kaum begonnene Konversation eingemischt: »Oh, Mr Springer,
Sie wären mehr als erstaunt darüber, was diese Dame noch
alles wagt. Stellen Sie sich vor, sie glaubt sogar, eine Frau könnte
sich geistig bilden wie ein Mann. Ich war selbst Zeuge wie sie
versuchte, einem angehenden Theologen die Geheimnisse der
griechischen Sprache beizubringen.«
    Das
Gespräch unter den im näheren Umkreis Sitzenden verebbte.
Dies schien interessant zu werden.
    » Tatsächlich?«
Mr Springer war sichtlich irritiert. »Ja, das ist wohl recht
ungewöhnlich.« Seine mausgraue, ältliche Gattin
schüttelte missbilligend den Kopf: »So etwas wäre zu
meiner Zeit nicht möglich gewesen, aber die jungen Leute machen
ja doch, was sie wollen. Man kennt sich nicht mehr aus.«
    Lady
Millford rollte theatralisch die Augen: »Da reden Sie mir das
Wort, Madam! Ich habe meiner Nichte wieder und wieder Vorhaltungen
deswegen gemacht, aber sie will eben immer ihren Kopf durchsetzen.
Überhaupt sind die Ansichten der jungen Leute heute – und
besonders meiner Nichte – etwas gewöhnungsbedürftig.
Was nutzt einer Frau zu viel Bildung? Sie hat ihre Aufgabe als
Ehefrau und Mutter zu erfüllen, ihrem Gatten zu dienen und ihn
mit aller Kraft zu unterstützen. Allerdings«, sie lachte
etwas gezwungen auf und schaute dabei vielsagend zu Terency hinüber,
»ist meine Nichte ja noch jung und formbar. Ein rechter Ehemann
wird sie schnell eines Besseren belehren.«
    » Ich
pflichte Ihnen dahingehend bei, Lady Millford«, sagte Terency
süffisant lächelnd, »dass es einer Frau nicht
ansteht, sich über den Mann als Krone der Schöpfung erheben
zu wollen. Wo kämen wir sonst hin? Sagte nicht schon der große
Denker Voltaire (36) – und der muss es ja wissen: Eine
dumme, einfältige Frau ist ein Segen des Himmels. Ich meine, die Frau ist vor
allem dazu geschaffen worden, uns Männern Freude und Vergnügen
zu bereiten. Deshalb ist es ihre vordringlichste Pflicht, sich die
Schönheit zu bewahren und sich ansonsten dem Willen ihres
Gebieters unterzuordnen.«
    Charlotte
erhob angesichts dieser Meinungsbekundung, die ihr zutiefst zuwider
war, ihre Stimme. Es war ihr gleichgültig, ob das ungehörig
wirkte und ob sie damit auf die Provokation Terencys einging, wie er
es augenscheinlich beabsichtigte: »Mr Terency, ich darf Sie
darauf hinweisen, dass selbst die Bibel uns deutliches Zeugnis
abliefert von Frauen, die in Zeiten der Not sogar ganze Völker
weise führten und die auch von Männern wie ihresgleichen
geachtet wurden. Schauen Sie nur nach im Buch der Richter. (37) Auch
unsere eigene Geschichte bietet ein hervorragendes Beispiel. Hat
nicht Elisabeth I. unser Volk durch ihre Intelligenz und
Entschlusskraft in ein prosperierendes Zeitalter geführt, von
dem wir immer noch alle nutznießen? Mir scheint, man war in
längst vergangener Zeit Ihrer Haltung zu diesem Thema schon weit
voraus. Außerdem denke ich nicht, dass alle der hier Anwesenden
auf die Weisheit eines Voltaire vertrauen, der immerhin Franzose war
und dem Adel gegenüber doch sehr kritisch eingestellt. Das
sollte uns Grund genug sein, seinen Ansichten nicht in allen Punkten
zu vertrauen.«
    Zustimmendes
Gemurmel erhob sich unter den Zuhörern. Natürlich stand man
dem revolutionären Gedankengut aus Frankreich spätestens
seit der Schlacht von Trafalgar eher kritisch gegenüber. Zwar
wurden Mode, Küche und gewisse bürgerliche Ideale gerne
übernommen, darüber hinaus aber lehnte man in weiten
Kreisen der besseren Gesellschaft die antifeudalistischen Ideen der
französischen Revolution – zu deren Vätern, wie man
gemeinhin wusste, auch Voltaire gehörte – ab. Terency, der
ob der geschickten Argumentation Charlottes ins Hintertreffen geraten
war, lächelte gezwungen: »Ich pflichte Ihnen

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