Pflicht und Verlangen
nichts und niemand hat das
Recht, dich in eine solche Lage zu bringen! Weder deine
rücksichtslose Tante noch irgendwelche angeblichen moralischen
Verpflichtungen deinem Onkel, der Gesellschaft oder gar mir
gegenüber. Bitte, lass mich dir helfen! Wenn du einwilligst,
bringe ich dich sofort weg von hier. Bitte, sag ja! Ich verspreche
dir bei meiner Ehre, nichts von dir zu fordern. Du hast keinerlei
Verpflichtungen mir gegenüber.«
Er
konnte an ihrer Miene ablesen, wie sehr es in ihr arbeitete und sie
die Möglichkeit, die er ihr bot, abwog. Würde sie sein
Angebot annehmen? Er hoffte es von ganzem Herzen, wagte es aber
nicht, weiter in sie zu dringen. Sie musste ihre Entscheidung frei
von jeglicher Beeinflussung treffen. Der Erfolg seiner
selbstgewählten Mission stand auf Messers Schneide.
Plötzlich
blickte sie an ihm vorbei auf ein Geschehen hinter ihm und ihre Augen
weiteten sich. Er hörte im selben Augenblick, dass jemand über
den Kiesweg herankam und wandte sich um. Es war Terency! Terency, den
er inzwischen mehr hasste als er es jemals bei sich für möglich
gehalten hatte, in Begleitung einer ärgerlich aussehenden Lady
Millford. Augenblicklich trat Charlotte einen Schritt zurück,
setzte die kühle Maske der Unverbindlichkeit auf und sagte in
beiläufigem und das Gespräch abschließendem Tonfall:
»Danke für Ihr freundliches Interesse, Mylord! Und richten
Sie Ihrer Gattin bitte aus, dass ich mich noch einmal sehr für
die herzliche Aufnahme in Ihrem Hause bedanke und ihr eine leichte
Niederkunft wünsche. Vielleicht erweist sie uns die Ehre, uns
wieder einmal auf Millford Hall zu besuchen, wenn das Kind geboren
ist.«
John
musste einsehen, dass ihm die Chance, Charlotte einfach
fortzubringen, von einem Moment zum anderen unter den Händen
zerronnen war. Er hätte Terency in seinem lodernden Zorn am
liebsten mit bloßen Händen erwürgt, war aber
gezwungen, sich zu beherrschen. Ein Angriff auf den Hausherrn ohne
einen direkten Anlass hätte seine so dringend verfolgten Ziele
zunichtegemacht, denn man hätte ihn in diesem Falle sicherlich
unmissverständlich aufgefordert, sofort abzureisen. Vielleicht
war es besser, wenn Terency nicht ahnte, dass John über seine
Verbrechen Bescheid wusste.
» Ah,
hier sind Sie beide also«, begrüßte der Hausherr sie
auf seine übliche arrogante Art und nahm unverzüglich den
freien Platz zwischen John und Charlotte ein. »Die Misses
Saint-Smith haben Lady Millford, die schon in Sorge über den
Verbleib ihrer Nichte war, berichtet, dass Sie mit Miss Millford im
Garten flanieren wollten. Ich sah es natürlich als meine Pflicht
als Gentleman an, Lady Millford sicher hierher zu geleiten. Ich sehe,
Sie beide scheinen sich sehr gut zu kennen, was ja auch nicht weiter
verwunderlich ist nach dem ausgedehnten Aufenthalt von Miss Millford
in Ihrem Hause, nicht wahr?« Plötzlich huschte der
Schatten des Verstehens über sein Gesicht. Ein anzügliches,
wissendes Lächeln trat auf seine makellosen Gesichtszüge
und machte sie abstoßend.
» Miss
Millford ist eine wirklich betörende junge Dame, das finden Sie
sicher auch, Mylord. Es ist ja auch nur zu verständlich, dass
Sie ihre Gesellschaft der meines lieben Cousinchens vorziehen, jetzt,
da diese durch die Schwangerschaft unförmig und unansehnlich
wird.«
» Mr
Terency, ich kann Ihnen beim besten Willen nicht folgen«, sagte
John eisig und blickte ihm scharf in die Augen. Wenn dieser
widerliche, verderbte Mensch glaubte, ihn reizen zu können,
sollte er sich täuschen.
» Nicht?
Nun, auch recht!«, meinte Terency blasiert und seine
Enttäuschung darüber nur schlecht verbergend, dass John ihm
nicht in die Falle gegangen war. »Und? Wie gedenken Sie den
heutigen Tag zu verbringen, Mylord? Ich für meinen Teil habe mir
vorgenommen, mit unserer schönen, zarten Blume hier einen
Ausritt zu unternehmen. Schließlich ist ja morgen das große
Ereignis und ich werde Miss Millford ein Pferd aus meinen Stallungen
zur Verfügung stellen.«
» Oh,
das trifft sich ja vorzüglich, Sie werden sicher nichts dagegen
haben, wenn ich mich anschließe«, sagte John in einem
Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ. »Es ist eine
ausgezeichnete Idee, auch mein Pferd etwas zu bewegen und das Gelände
zu erkunden vor der morgigen Jagd. Da bin ich bei Ihnen, dem Besitzer
dieser umfangreichen Ländereien, sicher bestens aufgehoben.«
Er stellte mit Genugtuung fest, dass Terency sich zwar über
seinen Vorstoß mehr als ärgerte, aber im Beisein
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