Pflicht und Verlangen
Beispiel über
einen männlichen Treuhänder zum Schutz und zur finanziellen
Absicherung seiner weiblichen Angehörigen – getroffen hat,
was allerdings das Übliche ist, wie du sicher weißt. Dies
hat Sir Alistair aber offensichtlich versäumt, sonst hätten
sich die Ereignisse wohl nicht so fatal entwickelt. Und Lady Millford
war wohl völlig besessen von dem Gedanken, sich einen reichen
Schwiegersohn zu angeln.«
» Der
alte Narr! Ich will ihn nicht schmähen, er war immer ein
gutherziger Mann. Aber in diesen Dingen hat er doch eine sehr
unglückliche Hand bewiesen, obwohl ich damit das Verhalten Lady
Millfords in keiner Weise rechtfertigen will, da es in seiner
Kaltherzigkeit und bedenkenlosen Grausamkeit gegenüber Miss
Brandon kaum mehr zu überbieten ist.«
» Immerhin
wäre das Anwesen zu retten, wenn sich ein Käufer fände.
Der Erlös flösse dann aber an die Krone.«
» Tatsächlich?
Das ist interessant.« John setzte sich wieder und rückte
seinen Stuhl interessiert näher an den Schreibtisch. »Hast
du Erfahrung in diesen Dingen?«
» Ich
selbst nicht, aber ein vertrauenswürdiger Kollege von mir.«
» Nun,
du weißt ja sehr gut über meine finanziellen Mittel
Bescheid, David. Hältst du es für sinnvoll, das Gut mit dem
Herrenhaus zu erwerben?«
» Das
ist eine lohnende Überlegung, zumindest dann, wenn es wieder
gewinnbringend genutzt wird. Man erzählt sich ja, dass der
Baronet, wie bereits sein Vater auch, mit seinen Geschäften
keine gute Hand bewiesen hat. Das Land allerdings ist prachtvoll und
würde sicher bald Gewinn abwerfen.«
» Zum
Beispiel mit einer Pferdezucht …?«
David
begann zu verstehen und lächelte seinem Bruder schelmisch zu.
»Ja, zum Beispiel mit einer Pferdezucht und ich glaube, ich
weiß auch schon den richtigen Mann, der diese Aufgabe
übernehmen könnte.«
» Mein
Bruder ist ein Mann mit einer schnellen Auffassungsgabe. Das wusste
ich schon immer«, sagte John und lächelte nun ebenfalls,
»in diesem Fall sollte es Miss Brandon allerdings freistehen
dort zu leben, wenn sie möchte. Kannst du ihr das mitteilen? Ich
wäre dir wirklich sehr dankbar, David!«
» Wie
du wünschst!« Beide erhoben sich. David ging um den
Schreibtisch herum und nahm seinen älteren Bruder fest in den
Arm: »Ich wünsche dir von Herzen alles Gute, John! Und
komm ja wieder zurück von deiner Reise ins Unbekannte, das rate
ich dir«, drohte er ihm, »ich wäre dir sonst
ernsthaft böse, verstanden! Denn dann hätte ich die ganze
Last mit dem Titel eines Barons von Dullham am Hals und das kannst du
mir nicht antun. Dazu bin ich viel zu gerne Anwalt. Also unterstehe
dich, auf See zu bleiben!«
» Ich
werde mein Möglichstes tun! Aber nun brauche ich ein Bett und
endlich Schlaf bis morgen früh! Die Unterschriften leiste ich
morgen, bevor ich abreise, einverstanden?«
David
nickte und begleitete seinen Bruder hinaus.
Als
dieser die Kanzlei verlassen hatte, setzte er die gewünschten
Papiere auf und schrieb dann einen Brief an diese junge Frau, die er
nicht einmal kannte, aber die offenbar das Herz seines Bruders auf
eine Weise eingenommen hatte, wie er es nicht für möglich
gehalten hätte. Sie musste, nach allem, was er nun gehört
hatte, ein außergewöhnliches Geschöpf sein. Er
wünschte inständig, dass es einen guten Ausgang für
diese ungewöhnliche Liebe geben mochte, denn sonst, so fürchtete
er, würde sein Bruder unweigerlich zugrunde gehen.
Kapitel
39
Ein
Traum – rot, quälend, dann dunkle Stille – Nacht,
die ihre Brust wie mit Zentnerlast zusammenpresste und sie zu
ersticken drohte – Hilfe, warum kam keiner zu Hilfe? –
Johns Augen, seine Hände, die sie hielten und ihr den Weg wiesen
zurück ins Licht – seine Stimme flüsterte ihren
Namen: Ich liebe dich, Charlotte Elisa Brandon – Worte, die in
ihr widerhallten wie eine ferne Glocke – Geh nicht fort, John!
– John? – Jemand gab ihr zu trinken – Schmerz, rot
glühender Schmerz, der dumpfer wurde – Hände, die
sich an ihr zu schaffen machten, sie wuschen, hin und her drehten –
Lasst mich! – John! Hilf mir! – Ich liebe dich, Charlotte
Elisa Brandon …
» Charlotte,
Liebes, wach auf! Ich bin es, Mary! Bitte, wach auf, du musst etwas
trinken!«
Sie
tauchte auf, wie aus einem tiefen Wasser und rang nach Luft. Alles
tat ihr weh, ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Sie kannte diese
Stimme! Wer war die Frau? Sie versuchte verzweifelt, die
verschwommenen Schemen zu erkennen. Endlich gelang es ihr. Ihr
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