Pflicht und Verlangen
wünschte.«
» Das
ist richtig«, sagte David. »Diese Möglichkeit
besteht nach wie vor. Sollten Sie Ihre Einstellung dazu geändert
haben?«
» Nein,
Sir, gewiss nicht! Sehen Sie, mit Millford Hall sind bei mir
eigentlich nur überaus leidvolle Erfahrungen und Erinnerungen
verknüpft und ich möchte mich diesen nicht mehr aussetzen.
Ich hoffe, Sie verstehen das. Es ist keinesfalls Undankbarkeit, die
mich zu dieser Entscheidung veranlasste, ich bin Captain Battingfield
sogar über die Maßen, mehr als ich es je werde ausdrücken
können, dankbar für die Fürsorge, die er mir zukommen
lässt. Er versetzt mich dadurch in die bemerkenswerte Lage, frei
entscheiden zu können, was ich zu tun gedenke und das weiß
ich wirklich zu schätzen. Allerdings gibt es eine Sache auf
Millford Hall, an der mein Herz hängt und ich wage es nun, auch
im Vertrauen darauf, dass Ihr Bruder dafür sicher Verständnis
hat, danach zu fragen.«
» Um
was handelt es sich denn?«, fragte David. »Sicher handele
ich im Sinne meines Bruders, wenn ich Ihnen schon jetzt die Erlaubnis
gebe, über diesen Gegenstand frei zu verfügen.«
» Das
würde mich wirklich sehr glücklich machen, Sir! Es handelt
sich um das Pianoforte meiner Mutter, das nun verwaist und ungenutzt
dort steht, was wirklich ein Jammer ist, da es ein wunderbares
Instrument ist. Ich gedenke, mich hier in London oder in der Nähe
niederzulassen und würde mich darüber freuen, das
Instrument in mein noch zu mietendes Haus holen zu dürfen.«
» Das
ist keine Frage. Ich werde das veranlassen, sobald Sie mir eine
entsprechende Adresse nennen. Wieso wollen Sie sich gerade hier
niederlassen?«
» Nun,
das bietet sich an, da ich hier am meisten für die Stiftung tun
kann und auch für die Schützlinge der Stiftung am besten zu
erreichen bin. Außerdem ist es mir durch die Vermittlung von
Dr. Banning möglich geworden, einen Forschungsauftrag im Bereich
der Altertumsforschung beim British Museum zu erhalten. Man erwartet
von mir, dass ich ein System für die sorgfältige
Katalogisierung von Funden erarbeite. Da ist es natürlich von
Vorteil, wenn ich räumlich nicht allzu weit vom Museum entfernt
lebe, da es mir durch meine …«, sie zögerte kurz,
sagte dann aber entschlossen, »Behinderung eher schwerfällt,
lange Reisen auf mich zu nehmen.«
» Oh«,
meinte David und zog die Augenbrauen in höchstem Erstaunen nach
oben, »Sie haben einen Auftrag vom British Museum erhalten? Das
ist allerdings eine Aufgabe, mit der eine Frau sehr selten betraut
wird. Mir ist kein solcher Fall bekannt, allerdings kenne ich mich in
den Kreisen der Society (44) auch nicht so gut aus. Sie scheinen mir
für Überraschungen gut zu sein. Ich vermute, die Sammlung
Ihres Vaters ist dort dann auch zu besichtigen?«
» Selbstverständlich,
Sir!«
» Nun,
dann werde ich mir dieses Vergnügen nicht entgehen lassen und
die Ausstellung zusammen mit meiner Frau besuchen.«
» Ich
würde mich freuen, Sir! Und noch einmal herzlichen Dank für
Ihre Mühe!« Sie erhob sich und reichte David zum Abschied
die Hand.
» Miss
Brandon, es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen!«,
sagte er und geleitete sie hinaus. »Und sollte ich etwas über
Captain Battingfield in Erfahrung bringen, werde ich Ihnen natürlich
sofort Bescheid geben.«
Sie
wendete sich ihm zu. »Das wäre wirklich sehr freundlich
von Ihnen!«, sagte sie und ihre Stimme zitterte leicht. Dann
ging sie, schwer auf ihren Gehstock gestützt. David sah es und
verspürte plötzlich einen Kloß in der Kehle. Er
wünschte es seinem Bruder, mit dieser Frau glücklich zu
werden. Es musste eine Möglichkeit für die beiden geben!
Auch wenn Gwendolyn immer noch Johns Frau war, er, David, würde
Himmel und Hölle für das Glück der beiden in Bewegung
setzen, das schwor er sich feierlich.
Kapitel
43
Es
war September geworden und im steinmauerumkränzten Gärtchen
des hübschen Stadthauses in der Cavendish Street in London St.
John’s Wood begannen sich die Blätter zu verfärben.
Klaviermusik erklang aus dem überraschend geräumigen Salon
des Hauses, das seine größten Fenster zum Garten hinaus
hatte, als Mary eintrat und sich mit recht geröteten Wangen
ihres Hutes und ihrer Handschuhe entledigte.
» Da
bist du ja endlich, Mary«, sagte Charlotte mit einem wissenden
Lächeln auf den Lippen, »du kommst spät von deiner
Besprechung mit Mr Plummer. Ihr scheint ja sehr viel zu besprechen zu
haben in letzter Zeit, obwohl das natürlich auch
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