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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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ahnte, dass ihre Tante verzweifelt nach einer
Möglichkeit suchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu
lenken. Da sie selbst es gewesen war, die ungewollt diese
gefährlichen Gewässer aufgesucht hatte, fühlte sie
sich verpflichtet, auch sicher wieder hinauszusegeln.
    » Liebster
Onkel, ich fürchte, das wird nicht so einfach zu bewerkstelligen
sein. Ein Flügel, der so lange nicht mehr gestimmt worden ist,
bedarf einer kundigen und geduldigen Behandlung, sonst könnte
das Instrument Schaden nehmen, sich möglicherweise der Rahmen
verziehen. In Surrey hatten wir einen sehr fähigen Mann, einen
Mr Hover. Er hat mir einiges über die hohe Kunst der
Klavierstimmung verraten, da wir im Institut mehrere Klaviere hatten,
die regelmäßig gestimmt werden mussten. Leider ist er aber
jetzt wohl im Ruhestand und Surrey ist ja auch viel zu weit weg.
Außerdem glaube ich nicht, dass die Zeit reichen würde,
vor dem Ball noch Abhilfe zu schaffen. Später können wir ja
noch einmal darüber nachdenken, nicht wahr? Ich denke, Lady
Millford hat auch so schon alle Hände voll zu tun und ich möchte
ihr nicht noch diese unwichtige Angelegenheit aufbürden, die
zudem wohl auch einiges kosten würde.«
    » Tatsächlich
denke ich auch, dass meine Nichte in diesem Punkt recht hat«,
bestätigte Lady Millford eilig. »Es ist schlechterdings
keine Zeit mehr, vor dem Ball noch nach einem geeigneten Fachmann zu
suchen.«
    » Aber
nach ihm müsste nicht wirklich gesucht werden, Lady Millford«,
meinte Dr. Banning. »Ich schätze mich glücklich,
Ihnen meinen alten Freund Mr Townsend aus Salisbury empfehlen zu
können. Wenn ich ihm schreibe, würde er sich bestimmt
bereit erklären, das Instrument wieder herzurichten. Wie Miss
Brandon eben sehr richtig angeführt hat, bedarf ein solcher
Patient einer kundigen und außerordentlich geduldigen Hand. Mr
Townsend betreibt diese Kunst allerdings nur aus Liebhaberei, nun da
ihm der wohlverdiente Ruhestand etwas mehr Zeit dafür lässt.
Er muss sich ja nun nicht mehr seinen theologischen Studien und
widerspenstigen Schülern widmen, wie ehedem als Professor. Er
wird sich gewiss freuen, seiner Leidenschaft frönen zu können,
zumal es sich um ein überaus edles Instrument handelt, wie uns
Miss Brandon eben glaubhaft versichert hat.«
    Lady
Millford gelang es nur mit Mühe, ihren Unwillen zu verbergen.
»Aber das ist wirklich nicht nötig, Dr. Banning! Ich
fürchte auch, dass wir Ihrem Freund nicht die gebührende
Aufmerksamkeit zukommen lassen könnten, da wir ja, wie Sie
wissen, mitten in den Vorbereitungen für den Ball von Miss
Brandon stecken.«
    Dr.
Banning lächelte verschmitzt. Charlotte hatte den deutlichen
Eindruck, dass ihm die wahren Motive Lady Millfords, nämlich der
Unwillen, ihrer ungeliebten Nichte mit der Instandsetzung des
Instruments ihrer verhassten Schwägerin eine Freude zu machen,
nicht verborgen geblieben waren. Es schien ihm eine gewisse neckische
Genugtuung zu bereiten, sie mit seinem Hilfsangebot zu reizen. »Das
liegt auf der Hand, meine verehrte Lady Millford«, führte
er mit ausgesuchter Freundlichkeit aus, »aber sehen Sie, mir
bietet diese Unternehmung die Möglichkeit, meinen alten Freund
Mr Townsend einmal wiederzusehen, ohne dass meine Haushälterin
Mrs Copperfield etwas einzuwenden vermag. Es wird nicht nötig
sein, dass er auf Millford Hall wohnt. Er kann bei mir wohnen und wir
werden uns die Abende bei einem gepflegten Glas Port und
Altherrengesprächen versüßen. Ich denke, es reicht,
wenn er alle zwei Tage bei Ihnen vorspricht und sich seines Patienten
annimmt.«
    » Eine
hervorragende Idee, Walter!«, sekundierte Captain Battingfield
und klatschte begeistert in die Hände, »Selbstverständlich
werde ich für den Transport Sorge tragen. Am besten, du
schreibst deinem Freund gleich morgen. Vielleicht haben wir dank der
Bemühungen von Mr Townsend dann doch das Vergnügen, das
edle Instrument auf dem Ball zu genießen.«
    Und
wieder erweist sich der Captain als mein hilfreicher Ritter, dachte
Charlotte bei sich, nicht ohne sich seltsam berührt zu fühlen.
Er schien ehrlich darauf bedacht zu sein, ihr Gutes zu tun, was ihm
tatsächlich auch gelang. Auf irgendeine Weise wendeten sich alle
Dinge für sie zum Besseren, seit sie ihn getroffen hatte. So war
der Streit mit ihrer Tante gestern fast eine glückliche Fügung
zu nennen.
    Lady
Millford machte gute Miene zum bösen Spiel. Gegen die
entschlossene Zusammenarbeit der beiden Gentlemen konnte sie

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