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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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sagen zu können,
dass viele von ihnen es an Talent und Verstand mit unseren besten
jungen Männern aufnehmen könnten. Ein Jammer, dass diese
gottgegebenen Gaben so wenig Beachtung finden.«
    Charlotte,
erstaunt und auch etwas erschrocken über diese ungewöhnlich
frei geäußerte Meinung Dr. Bannings, senkte den Kopf. Wie
recht er hatte! Nutzlos waren solche Gaben für eine Frau der
Gesellschaft, und so war sie selbst im Grunde nichts weiter als
nutzlos. Wieder empfand sie Bitterkeit ob der Aussichtslosigkeit
ihrer Anlagen und geheimen Wünsche. Dieser Besuch und das
Gespräch mit Lady Battingfield führte ihr einmal mehr
überdeutlich vor Augen, wie weit entfernt sie von den
Anforderungen der adeligen Gesellschaft an eine Frau ihres Standes
war. Die flatterhafte und einfach strukturierte Lady Battingfield,
deren Horizont, wie sie nun seit Stunden beobachten konnte, kaum über
Taft, Seide und die richtige Frisur hinausreichte, schien dagegen der
Inbegriff dessen zu sein, was gesellschaftlich erwünscht und
bewundert war. Selbst Captain Battingfield war ja deren nicht zu
übersehenden körperlichen Vorzügen ungeachtet ihrer
eher schlichten Interessen erlegen, obwohl er sich bei ihrer
Wanderung gestern erstaunlicherweise durchaus lobend über ihre
eigene undamenhafte Wissbegier geäußert hatte. Aber
möglicherweise hatte er ein nur allgemeines Interesse an ihrer
Obskurität an den Tag gelegt. Denn nicht anders als obskur
mussten ihn ihre freimütigen Äußerungen angemutet
haben. Eine Welle der Entmutigung und des Ärgers überkam
sie und sie schlug etwas zu heftig die Holzabdeckung des Klaviers zu.
Selbst erschrocken darüber, wandte sie sich verlegen und mit vor
Scham heißen Wangen an die beiden Männer: »Verzeihung,
aber der Deckel ist mir aus der Hand geglitten. Ich denke, es ist
jetzt wohl besser, wenn ich mich wieder dem Gespräch der Damen
zugeselle.« Sie erhob sich.
    » Aber
seien Sie doch nicht gleich so ungehalten, meine liebe Miss Brandon«,
hielt sie Dr. Banning in scherzhaftem Ton zurück. »Sie
haben uns eine überaus angenehme Stunde bereitet. Captain
Battingfield hier«, er benutzte schon den ganzen Abend völlig
unbefangen diese eigentlich unstandesgemäße Bezeichnung
für den Baron, was diesen aber nicht im Geringsten zu stören
schien, »hat Ihnen völlig fasziniert zugehört, was
Sie, wie mir scheint, nicht bemerkt haben. Er hat immer noch das
erste Glas Gin in der Hand.«
    Nun
war es an Captain Battingfield, verlegen zu reagieren. Unsicher
lächelte er Charlotte an. Sie vermeinte einen leichten Anflug
von Schüchternheit zu erkennen, der über sein Gesicht
huschte, als er sagte: »Ich muss zugeben, Miss Brandon, dass
mich Ihr Spiel überaus beeindruckt hat. Ich freue mich sehr,
dass die Instandsetzung des Flügels auf Millford Hall bald in
Angriff genommen wird. Das Instrument kann sich kaum eine bessere
Künstlerin wünschen, die es wieder ins Leben zurückruft.«
    Charlotte
neigte dankend den Kopf. »Ich bin ebenfalls sehr froh, dass ich
Ihnen Ihre zuvorkommende Hilfe vorhin – und auch schon gestern
– auf diese Weise wenigstens etwas zurückgeben konnte.«
    » Das
haben Sie in der Tat, Miss Brandon.«
    Ein
verlegenes Schweigen trat ein, das eine Spur zu lange dauerte. Sowohl
Charlotte als auch der Captain ergriffen fast gleichzeitig wieder das
Wort.
    » Ich
werde jetzt wohl besser …«
    » Wussten
Sie eigentlich, dass Dr. Banning ein ausgewiesener Kenner der
griechischen Antike ist? Er hat seinen Doktor nämlich nicht nur
in Theologie, sondern auch in Philosophie gemacht. Sein ganzes Haus
ist vollgestopft mit Büchern zu diesem Thema. Vielleicht ist ja
auch ein Werk Ihres Vaters dabei?«
    » Dann
sind Sie doch die Tochter von William Brandon!«, Dr. Banning
zeigte lebhaftes Interesse. »Ich muss Ihnen sagen, mein Kind,
dass ich mir während des Dinners bereits die ganze Zeit darüber
den Kopf zerbrochen habe. Welch unerhörte Freude!
Selbstverständlich habe ich ein Werk Ihres verehrten Vaters im
Hause. Als anerkannter Fachmann über die Delphische Geschichte
darf er in keinem Philosophenhaushalt fehlen. Das wäre ja
geradezu sträflich! Außerdem ist mir auch Ihre Haartracht
aufgefallen, abgesehen davon, dass sie Sie, meine liebe Miss Brandon,
aufs Vorteilhafteste schmückt, wenn Sie das einem alten Ochsen,
wie ich es bin, erlauben anzufügen …«
    Hier
beeilte sich Charlotte geflissentlich, dem »alten Ochsen«
vehement zu widersprechen und das Kompliment zurückzuweisen.
    »

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