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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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Jaja,
lassen Sie es gut sein, Miss Brandon! Sie wissen ja sicher selbst,
dass Sie eine ausgesprochen hübsche junge Frau sind.« Dr.
Banning ließ sein nun schon vertrautes, schalkhaftes leises
Lachen hören.
    » Zurück
zu Ihrer ungewöhnlichen Frisur. Ich meine mich nämlich
deutlich erinnern zu können, eine solche Haartracht bei einer
Frauenfigur gesehen zu haben, die ich kürzlich auf einer
attischen Vase zu betrachten das Vergnügen hatte. Kann es sein,
dass Sie hier ein detailgenaues Abbild eines antiken Vorbilds tragen?
Was übrigens ausnehmend vorteilhaft zu Ihrem sehr passenden
Kleid aussieht. Sie dürfen mir glauben«, hier hob Dr.
Banning bereits abwehrend die Hände, da er eine erneute
Gegenrede von Charlotte erwartete, »dass ich so etwas sonst
nicht zu bemerken pflege, dafür sind meine alten Augen von zu
viel Bücherstaub verklebt.«
    Charlotte
war angenehm überrascht. Dr. Banning war offenbar ein
hervorragender Beobachter und ein kenntnisreicher Mann. Sie hatte
wirklich nicht zu hoffen gewagt, einen solch interessanten
Gesprächspartner im Hause Battingfield vorzufinden. Ausgenommen
vom Captain natürlich, bei dem sie sich aber fest vorgenommen
hatte, Zurückhaltung walten zu lassen.
    Dr.
Banning schenkte ihr ein so vergnügtes Lächeln, dass sie
sich stark an ein munteres Eichhörnchen erinnert fühlte. Er
schien die Situation so zu genießen, als hätte dieses
Eichhörnchen gerade die Nuss seines Lebens gefunden.
    » Dr.
Banning, ich muss zugeben, dass Sie genau richtig liegen. Tatsächlich
bat ich heute Mittag Betty, die Zofe meiner Tante, nach eben diesem
Vorbild mein Haar zu richten. Wie Sie wissen, gefällt man sich
derzeit darin, in der Mode nach antikem Vorbild zu streben, aber Sie
dürfen mir glauben, dass mich manchmal das seltsame Bemühen
meiner Geschlechtsgenossinnen, dieses Vorbild mit Federn, Spitzen,
Bändern und allerlei Tand zu verschönern recht befremdet. Als mein
Vater vor mehr als zwanzig Jahren mit seiner Forschung begann,
interessierten sich nur wenige für dieses Sujet. Nun ist es
geradezu en
vogue, nach
antiken Vorbildern zu streben und sich mit den Schätzen der
Vergangenheit zu schmücken. Aber die Beschäftigung damit
scheint mir bedauerlicherweise nicht von wirklichem Interesse für
das Thema beseelt zu sein. Leider konnte mein Vater seine Forschungen
wegen seines plötzlichen und allzu frühen Todes nicht mehr
abschließen und vieles blieb unvollendet liegen.«
    » Mit
Bedauern hörte ich vorhin, dass Ihre Eltern verstorben sind.
Kein Wunder, dass man nichts mehr von William Brandon gehört
hat. Sicher, ich erfuhr vor Jahren gerüchtweise vom Tod Ihrer
Mutter, aber dieses Thema wurde, nun, verzeihen Sie, dass ich es so
formuliere, totgeschwiegen. Das muss ein schwerer Schlag für Sie
gewesen sein, so plötzlich ganz allein im fernen Griechenland.
Wie alt waren Sie da? Vierzehn oder fünfzehn? Armes Kind!«
    » In
der Tat war es schlimm für mich, da ich meine Eltern sehr
vermisste und auch jetzt noch vermisse. Sie starben ganz unerwartet
und kurz hintereinander bei einer Typhusepidemie. Ich konnte mich
kaum von ihnen verabschieden. Es war eine sehr schwierige Situation
damals, denn viele Menschen erlagen der Epidemie und allerorten
herrschte völliges Chaos. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Und dann ging alles sehr schnell. Mein Onkel ließ mich nach
England ins Institut bringen, wo ich einige Zeit brauchte, um mich
einzuleben.« Sie lächelte entschuldigend. »Ich
fürchte, Mrs Longbottom hatte einige Mühe mit mir. Ich muss
wohl recht schwierig und – wie man mir immer sagte –
wenig angepasst gewesen sein. Ich wäre damals eigentlich lieber
in Griechenland geblieben, aber ich hatte keine Wahl. Doch ich war
als Kind sehr glücklich dort.« Charlotte kämpfte kurz
mit aufsteigenden Tränen, fing sich aber sofort wieder und nahm
Haltung an. »Aber heute verstehe ich natürlich, dass ich
unmöglich in Griechenland bleiben konnte, obwohl ich mich
unseren einheimischen Freunden sehr verbunden fühlte und dort
auch gewiss hätte bleiben dürfen. Lord und Lady Millford
haben sich aber verpflichtet gefühlt, sich meiner anzunehmen.«
    » Ja,
und Sie in dieses Institut gesteckt und vergessen. Ich habe sehr
genau zugehört. Als Seelsorger habe ich gelernt zu hören,
was unausgesprochen bleibt. Ich kann mir vorstellen, dass Sie recht
einsam waren in den letzten … es müssen etwas mehr als
sechs Jahre gewesen sein, nicht wahr?«
    » Sir,
bitte, ich …«, Charlotte

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