Pflicht und Verlangen
überglücklich. »Sie meinen, ich darf mit
Ihnen an der wissenschaftlichen Arbeit meines Vaters forschen? Sie
glauben nicht, wie glücklich Sie …« Sie hielt
plötzlich inne und besann sich auf das, was sich schickte. »Ich
meine, haben Sie vielen Dank, Sir. Sie dürfen versichert sein,
dass ich mein Bestes geben werde.«
Dr.
Banning zeigte wieder sein Eichhörnchenlächeln: »Daran
habe ich allerdings keinerlei Zweifel, Miss Brandon. Sie sind eine
fähige junge Frau, das kann keiner übersehen.«
Charlotte errötete ob dieses erneuten Lobes.
Sir
Alistair stöhnte plötzlich auf. »Ach, Charlotte, es
ist spät geworden. Kannst du Lady Millford fragen, ob wir
aufbrechen können? Ich bin jetzt doch sehr ermattet.«
» Aber
gewiss doch, Onkel!« Sofort sah Charlotte ihrem Onkel besorgt
ins Gesicht. Er sah nun wirklich sehr müde aus, wie er da so
zusammengesunken in seinem Sessel saß.
Sie
stand unverzüglich auf und ging hinüber, um Lady Millford
zum Aufbruch zu bewegen.
Auch
Captain Battingfield und Dr. Banning erhoben sich und gingen etwas
abseits.
» Nun,
was hältst du von ihr, Walter?«, wandte sich Captain
Battingfield neugierig an seinen Freund.
» Sie
ist eine ganz außergewöhnliche junge Frau. Ihr Vater war
ein brillanter Kopf, musst du wissen. Sie scheint viel von ihm geerbt
zu haben, dazu kommt noch die Anmut und das musikalische Talent der
Mutter. Es ist traurig, dass diese Gaben, gerade die des Geistes, bei
den jungen Damen nicht genügend gefördert werden. Sie hat
es schwer als Frau, sich mit ihrem Wesen durchzusetzen und wird viel
Widerspruch aus ihrer Umgebung erfahren haben – und noch
erfahren! Ein wenig davon klang ja bei ihrer vorigen Schilderung
durch. Sie scheint es nicht leicht gehabt zu haben, obwohl sie sich
augenscheinlich große Mühe gibt, den Anforderungen, die an
sie gestellt werden, zu genügen. Ich frage mich, was aus ihr
wird, wenn man sie verheiratet, denn das scheint ja das erklärte
Ziel von Lady Millford zu sein. Ich denke, nur deshalb wurde sie ins
Haus geholt. Millford Hall fehlt ein Erbe. Wirklich ein
bedauernswertes Kind! Wenigstens kann sie jetzt ein wenig ihren
Neigungen nachgehen. Hast du bemerkt, wie sie aufblühte, als ihr
die wissenschaftliche Arbeit in Aussicht gestellt wurde?«
» Das
habe ich allerdings. Das ist es wert, jede Anstrengung dafür in
Kauf zu nehmen. Ich werde mich mit allem Nachdruck darum kümmern«,
sagte Captain Battingfield und sah dabei zu Charlotte hinüber,
die mit ihrer Tante sprach.
Dr.
Banning verfolgte den Blick des Captains und bemerkte dessen
Gesichtsausdruck, aus dem deutliche Zuneigung zu dieser
ungewöhnlichen jungen Frau sprach. Besorgt legte er die Stirn in
Falten und wandte sich dann ernst an seinen Freund. »Ich kenne
dein leidenschaftliches Wesen, John, und weiß deshalb, dass du
dich mit aller Kraft und der ganzen Lauterkeit deines Herzens dem
Wohlergehen von Miss Brandon widmen wirst. Aber ich bitte dich, sei
verantwortungsvoll und habe acht auf dich.« Die väterliche
Ermahnung, von der er sich nicht sicher war, ob sie vom völlig
in Anspruch genommenen Adressaten überhaupt wahrgenommen wurde,
schien ihm mehr als notwendig, befürchtete er doch, dass
zumindest von Seiten des Herrn von Dullham Manor im Hinblick auf eine
gewisse junge Frau schon mehr Gefühle im Spiel waren als es
statthaft war.
Der
Aufbruch ging nun schnell vonstatten. Bald saßen die Millfords
und Charlotte in der Kutsche auf dem Heimweg. Sir Alistair war kurz
nach dem Aufbruch wieder eingeschlafen. Charlotte fröstelte sehr
in ihrem Mantel und hoffte, dass ihre
Zähne nicht allzu laut aufeinanderschlugen, um sich nicht die
Missbilligung von Lady Millford einzuhandeln.
Diese jedoch wirkte sehr zufrieden.
Ihr Gespräch mit Lady Wellesley war mehr als positiv verlaufen
und sie würden nun Gäste von hoher Herkunft und noch
vollerer Börse auf dem Ball begrüßen können.
Charlottes Blick wanderte hinaus in
die kühle, klare Herbstnacht. Sie war so glücklich wie seit
Jahren nicht mehr.
Kapitel
7
4.
Dezember 1817
Lieber
Freund,
ich
hoffe, Sie befinden sich wohl und genießen den verdienten
Ruhestand. Ich bin ja noch mit allerlei Verpflichtungen des
Pfarrstandes betraut und sorge für meine Schäflein hier in
Dorset. Schmerzlich vermisse ich unsere Dispute, die wir in alter
Zeit bei einem guten Port zu halten pflegten. Erinnern Sie sich noch
an unsere Auseinandersetzung über den arianischen Streit? (11)
Die eifrig diskutierte Frage der
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