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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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Gottähnlichkeit oder
Gottgleichheit unseres Herrn hat zwar nicht zu einer erneuten
Kirchenspaltung, aber zur Spaltung einiger Töpfe und Teller
geführt. Ich denke oft mit Vergnügen daran, obwohl der Wirt
der Schenke, in der wir unsere sehr angeregte Unterhaltung führten
– oder soll ich sagen: ausfochten –, die Sache wohl
weniger positiv bescheiden würde, da er den Verlust seines
Geschirrs zu beklagen hatte.
    Aber
genug der alten Tage. Ich möchte Sie, werter Freund, zu mir
einladen in mein bescheidenes Heim. Ich habe sogar meine grimmige
Haushälterin besänftigen können in dieser Sache, was
als rechtes Meisterstück zu bezeichnen ist und schon deshalb
Ihrer positiven Erwiderung bedarf. Ich muss gestehen, dass diese
Einladung nicht ganz uneigennützig ist, obwohl ich nicht für
mich bitte als ein rechter Christenmensch, sondern für eine mir
bekannte junge Dame. Sie ist eine von unserem Herrgott mit vielen
Gaben gesegnete Vertreterin ihres Geschlechts, hat aber, vielleicht
auch im Ausgleich dazu, in den letzten Jahren einen recht
beschwerlichen Lebensweg nehmen müssen.
    Sie
ist nun das Mündel ihres Onkels, Sir Alistair und seiner Frau,
die – unter uns gesagt – eine Schwester meiner
Haushälterin sein könnte. Im Hause dieses Onkels nun
befindet sich ein wahres Kleinod von einem Pianoforte, das einer
kundigen Hand bedarf. Leider wurde es über viele Jahre, aus
Gründen, die ich hier nicht näher ausführen will,
recht schmählich behandelt und steht kurz davor abzuscheiden.
Die junge Dame verfügt aber, davon konnte ich mich selbst
überzeugen, über beachtliche Fähigkeiten als
Pianistin. Ein Umstand, der Sie doch locken müsste, dem
Instrument wieder aufzuhelfen. Nebenher könnten wir uns durch
die gute Tat einen besseren Platz im Himmel verdienen und, sollte uns
dieser nicht gewährt werden, so mögen wir uns für die
Zeit Ihres Aufenthaltes zum Ausgleich einen gemütlichen Platz
bei mir zu Hause einrichten.
    Für
Ihre Reise wird Lord Battingfield, Baron of Dullham, sorgen. Das hat
er fest versprochen, sodass für Sie keinerlei Kosten entstehen
würden. Nur müssten Sie sich schnell entschließen, da
ein großes Ereignis im Leben der jungen Dame bevorsteht,
nämlich ein Debütantinnenball im Hause der Millfords zu
ihren Ehren (obwohl ich berechtigte Zweifel habe, dass besagte junge
Dame diesem Ereignis so entgegenfiebert wie es der Rest des Hauses
tut.) Näheres dazu dann bald von Angesicht zu Angesicht.
    Der
Brief wird Ihnen von einem Angestellten Lord Battingfields
überbracht, der Sie auch gleich zu mir mitnehmen würde.
Also, lieber Freund, wie schon der Evangelist sagt: raffen Sie sich
auf, schütteln Sie den Staub von den Füßen und
verlassen Sie die Stadt!

    Herzlichst
Ihr alter Freund
    Dr.
Walter Banning

    ******

    Drei
Tage nach dem denkwürdigen Dinner auf Dullham Manor hörte
Charlotte einige Zeit nach dem Frühstück die Räder
einer Kutsche über den Kies der Auffahrt rollen und schaute aus
dem Fenster. Vor dem Hauptportal hielt ein moderner Zweispänner,
dem ein alter, ihr unbekannter Herr und nachfolgend Captain
Battingfield entstiegen. So hatten ihre beiden Wohltäter Dr.
Banning und der Captain tatsächlich ohne Aufschub ihr Vorhaben
in die Tat umgesetzt. Zweifellos handelte es sich bei dem Unbekannten
um den Freund von Dr. Banning, Mr Townsend aus Salisbury.
    Charlotte
beeilte sich, nach einem kurzen, prüfenden Blick in den Spiegel
in die Empfangshalle zu kommen, hielt aber dann auf der Galerie inne,
um Lady Millford als Hausherrin die Gelegenheit zu geben, die Gäste
als Erste zu begrüßen. Erst dann kam sie die Treppe
herunter und begrüßte zunächst Mr Townsend und dann
Captain Battingfield herzlich.
    » Sie
müssen diese bemerkenswerte junge Dame sein, von der mir mein
Freund Banning fortwährend nur das Beste berichtet«,
richtete Mr Townsend das Wort an sie.
    » Oh,
ich weiß nicht«, antwortete Charlotte verlegen,
»bemerkenswert bin ich nun wirklich nicht. Bemerkenswert ist
jedoch Ihr Freund, Dr. Banning. Er hat mich sehr überrascht mit
seinen umfassenden Kenntnissen auf einigen Gebieten und ist mir
darüber hinaus sehr wohlgesinnt, was ich mir selbst nicht
erklären kann, da er mich ja erst seit Kurzem kennt. Ebenso
wohlgesinnt wie Captain Battingfield hier.« Unversehens war
Charlotte die eher vertrauliche Anrede wieder herausgerutscht. Doch
da ihn das nicht zu stören schien, ja sein offenes Lächeln
sie sogar dazu aufforderte, beschloss sie trotz des mahnenden

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