Pflicht und Verlangen
Verlegenheit
bemerkte. »Werden wir Sie heute Abend noch auf dem Pianoforte
hören, Miss Brandon?«
Erleichtert
griff diese den Faden auf. »Ich denke schon! Mein Onkel hat es
sich gewünscht und obwohl meine Tante Einwände hatte,
werden wir später wohl kurz hinaufgehen.«
» Darauf
freue ich mich sehr«, antwortete der Captain mit einem
aufrichtigen Lächeln. »Ich bin sehr gespannt darauf, was
die Künste von Mr Townsend bewirkt haben.«
» Oh,
ich versichere Ihnen, Mylord«, Charlotte verfiel vor lauter
Begeisterung wieder in die förmliche Anrede, was ihr
augenblicklich einen strafenden Blick ihres Tanzpartners einbrachte,
der sie umgehend korrigieren ließ: »Ich meine natürlich:
Captain! Ich versichere Ihnen, Mr Townsend hat ein wahres Wunder
vollbracht und verdient unsere Bewunderung genauso wie meinen
tiefsten Dank. Es ist ein wundervolles Instrument. Ich konnte noch
nie auf einem solchen Klavier spielen. Es ist …«, sie
suchte nach den passenden Worten, »als würde man in ein
Meer der Klänge eintauchen.«
Die
Musik hatte geendet und sofort war Charlotte von weiteren Gentlemen
umringt, denen sie bereits einen Tanz versprochen hatte. Battingfield
verbeugte sich galant vor seiner Tanzpartnerin und bedachte sie noch
einmal mit einem überaus freundlichen Lächeln. »Dann
bin ich höchst erfreut, wenn Sie uns nachher zum Bade einladen«,
sagte er und trat zurück, um dem nächsten Tänzer Platz
zu machen.
******
Der
Ball war bereits einige Zeit im Gange, als Sir Alistair sich in einer
Pause der Musikanten bemerkbar machte, indem er beherzt mit seinem
Siegelring an ein Weinglas schlug. Ein heller Ton erklang und ließ
die Gäste in ihren Gesprächen innehalten.
» Meine
verehrten Gäste«, begann er mit seiner leicht brüchigen
Stimme: »Ich bin überglücklich, Sie heute alle bei
uns auf Millford Hall zu haben. Nicht zuletzt deshalb, weil ich sehr
stolz bin, Ihnen meine Nichte Charlotte bei dieser Gelegenheit
vorzustellen. Sie ist seit einigen Wochen bei uns und der ganze Trost
meiner alten Tage.«
Daraufhin
erhob sich Stimmengewirr, aus dem scherzhafte Rufe zu vernehmen
waren, dass Sir Alistair sich doch im besten Mannesalter befände.
Dieser
wedelte abwehrend mit den Händen. »Nein, lassen Sie nur,
Gentlemen! Ein Mann muss wissen, wann seine beste Zeit vorbei ist.
Die beste Zeit dieser reizenden jungen Dame hier«, und damit
legte er seinen Arm um Charlotte, die zu ihm getreten war, »steht
aber nun kurz bevor, und der junge Mann, der ihr Herz erobert, kann
sich glücklich schätzen.«
Charlotte
senkte peinlich berührt den Kopf. Sie verstand ja, dass er
voller Stolz seine Nichte vorführte, aber musste er es so
offensichtlich tun?
Unverdrossen
fuhr Sir Alistair fort: »Und sie verfügt nicht nur über
großen Liebreiz. Nein, sie zeigt auch Talent am Piano. Deshalb
habe ich sie gebeten, unsere Gäste heute mit einer Darbietung zu
erfreuen und lade Sie, meine teuren Freunde, dazu ein, uns in den
oberen Saal zu begleiten, in dem unser Flügel steht, der dank
der uneigennützigen Pflege von Mr Townsend und dem unermüdlichen
Einsatz unseres trefflichen Nachbarn, des Barons of Dullham, nun in
neuem Glanze erstrahlt.«
Beifall
erhob sich, und die ganze Festgesellschaft begab sich zum Musikzimmer
in der ersten Etage. Nicht alle Gäste passten hinein und einige
mussten mit einem Stehplatz im nächsten Raum vorliebnehmen.
Charlotte, die am Arm ihres Onkels ging und ihm so gut es ging den
Aufstieg an der Treppe erleichterte, war gezwungen, sich zusammen mit
ihrem Onkel einen Weg durch die bereits Anwesenden zu bahnen. Die
Situation war ihr nicht sehr angenehm. Sie pflegte mehr zu ihrer
eigenen Erbauung zu musizieren. Vor einem so großen und auch
erlauchten Publikum hatte sie noch nie gespielt und war sich nur zu
bewusst, dass hier nicht der Ort und die Zeit waren, mit konzertanten
Fähigkeiten zu beeindrucken. Deshalb hatte sie sich bereits vor
Tagen überlegt, dass sie, sollte es dazu kommen, eher einige
tänzerisch-leichte, kurze Klavierstücke und vielleicht
einen kurzen Auszug aus einem Werk des überaus beliebten
Komponisten Händel (13) vortragen würde. Dies erschien ihr
die passende Wahl.
Im
Musiksaal, in dessen Mitte der Flügel prangte, hatten die Gäste
in einem angemessenen Abstand einen Kreis um das Instrument gebildet.
Charlotte durchschritt mit einiger Nervosität den Raum. Diese
übergroße Aufmerksamkeit war sie nicht gewohnt und es fiel
ihr schwer, damit umzugehen. Mit Mühe
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