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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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einen
weiteren männlichen Verwandten oder Schwiegersohn übergehen.
Aber trotzdem war sie dadurch in einer besseren Situation als vorher,
da durch eine Heirat ihrerseits zumindest der Besitz gehalten werden
könnte und sie Anspruch auf eine angemessene Versorgung durch
ihren Ehegatten haben würde. Das war wohl auch das erklärte
Ziel von Lady Millford. Dass diese keinerlei Interesse an ihr als
Mensch oder gar Tochter hatte, war Charlotte seit Langem klar. Sie
hatte schon geraume Zeit vor dem Ball den abschließenden
Eindruck gewonnen, dass das Interesse ihrer Tante an ihr
ausschließlich von rein strategischen Überlegungen
beherrscht wurde. Das war zwar keine schmeichelhafte Erkenntnis, aber
auch nicht anders zu erwarten gewesen, hatte sich Charlotte streng
erklärt, als es ihr bewusst geworden war. Dennoch störte
sie die Vorstellung, ausschließlich als Handelsgut betrachtet
zu werden. Es entsprach so gar nicht der Auffassung, die ihre Eltern
gelebt und ihr vermittelt hatten. Für diese war der Wert eines
Menschen ungeachtet seines Standes und seiner Herkunft ausschließlich
in seinem Wesen begründet. Aber hatte sie jetzt noch eine Wahl?
    Deshalb
freute sie sich an der fast schon kindlichen Zärtlichkeit, mit
der ihr Onkel an ihr hing. Sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, ihm
seine letzten Wochen oder Monate auf Erden so angenehm und herzlich
wie möglich zu gestalten und das nahm er dankbar und fast
staunend an. Gleichwohl wusste Charlotte, dass sie jede Diskussion,
ja jede auch nur denkbare Belastung des häuslichen Friedens, um
seinetwillen vermeiden musste.
    Mr
Norton hatte bereits seine Unterlagen auf der überaus großen
Schreibtischplatte ausgebreitet und dahinter Platz genommen. Für
Sir Alistair war schon vor einigen Tagen ein bequemer Sessel mit
Fußschemel ins Arbeitszimmer gebracht worden, auf dem er nun,
in eine warme Decke gehüllt, mehr lag als saß. Auch ihre
Tante war selbstverständlich zugegen und saß mit
kerzengeradem Rücken auf einem Stuhl neben ihrem Gatten. Für
Charlotte selbst war ein weiterer Stuhl vor dem Schreibtisch
gegenüber von Mr Norton bereitgestellt worden, der nun, als sie
schließlich Platz genommen hatte, mit einem trockenen Hüsteln
als Eröffnung das Wort ergriff: »Verehrte Miss Brandon,
wie Sie sicher wissen, hat Ihr Onkel Sir Alistair Millford, Baronet,
Herr über Millford und Lower Woodland, den Wunsch geäußert,
Sie an Kindes statt anzunehmen. Da das Haus Millford sonst keine
weiteren leiblichen oder gesetzlichen Erben hat, sind Sie nach den
vollzogenen Formalitäten alleiniger weiblicher Nachkomme Sir
Alistairs.«
    Charlotte
nickte. Was sollte sie dieser lapidaren Feststellung auch sonst
hinzufügen?
    » Ich
möchte Sie darauf hinweisen, dass Ihnen durch die Adoption
keinerlei Anrecht auf das Erbe des Familiensitzes und die
dazugehörigen Besitztümer − ausgenommen von
Barvermögen − entsteht, da Sie als Frau gemäß
englischem Recht nicht erbberechtigt sind, was Titel, Landbesitz und
Ländereien betrifft. Sollten Sie jedoch eine Heirat in Erwägung
ziehen, kann der Besitz auf Ihren Ehemann überschrieben werden.
In diesem Falle würde Ihnen dann eine angemessene Summe aus dem
Ertragserlös des Besitzes, den Ihr zukünftiger Ehemann
erwirtschaftet, zustehen. Haben Sie dies soweit verstanden?«
    Charlotte
räusperte sich: »Selbstverständlich. Mr Norton, ich
bin über die rechtliche Lage im Bilde.«
    » Gut!«,
Mr Norton blickte sie kurz über seine Brille hinweg an und
senkte dann etwas enttäuscht den Kopf, um weiterzulesen. Er
hatte wohl gehofft, er könnte etwas ausholen und seine
unbestreitbaren Fähigkeiten als Notar noch etwas vorführen.
»Ich darf Ihnen noch mitteilen, dass Sir Alistair Weiteres
verfügt hat: Im Falle seines Ablebens soll Lady Millford
zunächst die Verwaltung des Besitzes, natürlich mit der
Hilfe eines männlichen Vertreters, das heißt eines Anwalts
oder Notars, obliegen − sofern Sie sich bis dahin verlobt haben
−, bis Sie sich zeitnah verehelicht haben. Im Falle Ihrer
Verehelichung ist Lady Millford von Sir Alistair ein Bleiberecht auf
Millford Hall eingeräumt worden. Sollte sie dies aus eigenem
Willen nicht in Anspruch nehmen wollen, soll sie mit einer jährlichen
Rente von nicht weniger als 1.000 Pfund im Jahr und einer
angemessenen Wohnstatt versorgt werden. Sollte, was wir alle nicht
hoffen, Sir Alistair aber verscheiden, bevor Sie sich verlobt haben,
fallen Land und Titel unverzüglich mangels eines männlichen
Erben an

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