Pflicht und Verlangen
die Krone zurück, wie es das Gesetz vorsieht. Eine
andere Regelung ist in diesem hoffentlich zu vermeidenden Fall nicht
möglich.« Mr Norton hielt abermals inne und blickte sie
prüfend an.
» Ich
habe verstanden, Mr Norton. Diese Regelung findet meine ungeteilte
Zustimmung«, antwortete Charlotte, wie von ihr erwartet wurde.
Sie wunderte sich allerdings, mit welcher Selbstverständlichkeit
hier von ihrer Verheiratung ausgegangen wurde. Sie wusste nicht, wer
der Glückliche hätte sein sollen. Lady Millford konnte ja
wohl nicht wirklich so kühn sein und ernsthaft auf Mr Gaylord
Terency und seine 45.000 Pfund spekulieren, oder etwa doch? Als ihr
diese Möglichkeit bewusst wurde, packte sie plötzliche
Übelkeit. Die Vorstellung, Terency angetraut zu werden, ließ
nichts als Widerwillen in ihr hochkommen und da halfen selbst 45.000
Pfund nicht weiter. Charlotte kämpfte einen Augenblick mit dem
Impuls, aufzuspringen und davonzulaufen, aber sie wusste nur zu gut,
dass das überhaupt nichts gebracht hätte. Zu sehr hatte sie
sich schon in das sorgsam gewebte Netz von Lady Millford verstrickt.
Es gab kein Zurück mehr und sie hoffte inständig, dass sich
noch eine andere Perspektive in Form eines weiteren Heiratskandidaten
eröffnen mochte.
Völlig
eingenommen von den beängstigenden Aussichten bekam sie fast
nicht mit, wie Mr Norton sie mit emotionsloser Stimme dazu
aufforderte, ein Schriftstück zu unterzeichnen und ihr dazu
einen Federhalter in die Hand drückte.
» Miss
Brandon, ich habe den Eindruck, Sie sind gerade nicht ganz bei der
Sache«, ermahnte er sie indigniert. »Sie müssen
dieses Schriftstück hier und hier«, er zeigte mit der Hand
auf ein mehrseitiges Dokument, das vor ihr lag und wies ihr die
entsprechenden Stellen an, »unterzeichnen. Damit ist die
Adoption vollzogen und Sie tragen fortan nicht mehr den Namen
Charlotte Elisa Brandon sondern Charlotte Millford. Der Wegfall Ihres
zweiten Vornamens ist ein Wunsch Ihrer Tante, nach der Unterschrift
vielmehr Ihrer gesetzlichen Mutter. Da Ihre Eltern beide verstorben
sind, muss nur Ihre eigene Zustimmung zur Adoption und Namensänderung
eingeholt werden, da Sie seit Kurzem volljährig sind.«
» Was?«,
Charlotte reagierte fassungslos auf diese ihr bisher unbekannte
Bedingung. Mit der nun schon fast zur Regel gewordenen Missachtung
ihrer Person hatte es ihre Tante offenbar nicht für notwendig
erachtet, sie von diesem verletzenden Detail in Kenntnis zu setzen.
Sie drehte sich erregt zu Lady Millford um. Deren Blick war hart und
unnachgiebig. »Ich verliere meinen Namen? Das kann ich nicht
akzeptieren! Mein Name verbindet mich mit meinen Eltern. Er ist
alles, was mir von ihnen geblieben ist.«
» Entweder
so, Charlotte, oder du kannst die Adoption vergessen und noch heute
deine Sachen packen«, war die kühle Antwort ihrer Tante.
» Aber
Tante, das können Sie nicht von mir verlangen …«,
Charlottes Augen füllten sich gegen ihren Willen mit Tränen.
Fast im gleichen Augenblick bemühte sie sich verbissen, diese
zurückzudrängen. Sie musste nun genau die gleiche
Unerbittlichkeit wie ihre Tante an den Tag legen, wollte sie diese
Schlacht gewinnen.
Mr Norton
blickte sichtlich verärgert zwischen den beiden Damen hin und
her. »Lady Millford, ich war davon ausgegangen, dass Miss
Brandon über diesen Teil des Vertrages bereits in Kenntnis
gesetzt worden ist.«
» Mitnichten,
Mr Norton! Es ist ein gänzlich unwichtiges Detail, das
angesichts der großen Vorteile, die Miss Brandon durch ihre
Unterschrift unter die Adoptionsurkunde erhält, sicherlich
erwartet werden durfte«, antwortete Lady Millford mit beißender
Schärfe.
» Kind,
wenn es dich so betrübt, dann wollen wir dir den Vornamen
lassen«, erklang da die schwache Stimme Sir Alistairs. »Nicht
wahr, meine Liebe, das ist doch sicher auch Ihre Meinung?«
Doch
Lady Millford beharrte mit Entschiedenheit: »Nein, das ist
keinesfalls meine Meinung, Sir Alistair. Es ist notwendig,
denn ich wünsche nicht, dass Ihr angesehener Name mit dem
Skandal, der mit dem Namen Elisa und noch mehr Brandon verbunden ist, in den Schmutz gezogen wird.«
» In
den Schmutz gezogen …?« Charlotte war wutentbrannt
aufgesprungen. Der ganze aufgestaute Zorn, den sie empfand, stand
kurz davor, sich unkontrolliert Bahn zu brechen.
» Aber
bitte, meine Damen! Es wird sich doch eine Lösung finden
lassen!«, Mr Norton war völlig hilflos. Hier kam er mit
Paragraphen nicht weiter.
Sir
Alistair zeigte Anzeichen
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