Pflicht und Verlangen
einen
anderen Namen und eine volle Börse. Aber ich fürchte, du
hast Edwards armes Herz schon gebrochen. Wir werden ihn auf der Fahrt
aufheitern müssen, nicht wahr, Millicent?«
» Aber
ihr müsst mir glauben, dass Mr Terency nicht im Geringsten meine
Wahl ist. Ich verabscheue ihn geradezu. Ich finde, er ist ein
unerträglicher, aufgeblasener Schwätzer und seiner ach so
gepriesenen Schönheit, verzeih mir, Millicent, ist er sich auf
eine wirklich unangemessene Art bewusst. Der Gedanke, dass meine
Tante hofft, ihn für mich einfangen zu können, macht mir
ehrlich Angst. Es wäre mir eine höchst grauenhafte
Vorstellung, jemanden wie Mr Gaylord Terency heiraten zu müssen.
Das meine ich ehrlich!«
Auch
Mary war während Charlottes Worten ernst geworden. »Arme
Charlotte! Verzeih mir, ich habe unbedacht gesprochen. Auch ich bin
mir über seinen Charakter im Unklaren. Allerdings würde ich
mich wirklich darüber freuen, wenn du uns schreibst. Vielleicht
kann es dir auch dein Leben hier mit Lady Millford etwas erleichtern,
wenn du weißt, dass du Freundinnen hast, die mit dir fühlen
und bei denen du willkommen bist, wenn du es hier einmal nicht mehr
aushältst. Meine Eltern haben zwar nicht viel Geld, aber sie
haben ein gastfreundliches Haus. Noch nie haben sie Freunde von uns
abgewiesen. Mach dir auch keine Sorgen wegen der Unfreundlichkeit
deiner Tante. Wir wissen nur zu gut, dass du selbst es sehr bedauerst
und ändern würdest, wenn du könntest.« Mit
schnellen Schritten ging sie auf Charlotte zu und umarmte sie
herzlich. »Ich wünsche dir alles Gute hier, Charlotte.
Halte durch, vielleicht findet sich ja auch ein wackerer Gentleman,
der ebenso betucht wie galant ist und dich aus der Situation befreit
und Lady Millfords strengen Anforderungen genügt. Letzteres
dürfte allerdings ein rechtes Stück Arbeit sein.«
Charlotte
lächelte gequält: »Ich wünschte, so jemanden
gäbe es wirklich. Oder besser noch, wir könnten selbst für
unser Auskommen sorgen. Ist es nicht furchtbar, dass uns nur eine
Heirat aus allem Unglück befreien kann, und diese kettet uns
dann auf ewig an einen anderen Menschen, unabhängig davon, ob
die Liebe bleibt oder nicht oder ob sie gar je vorhanden war? Unsere
ausschließliche Aufgabe ist es, Kinder zu gebären,
vorzugsweise Jungen. Als ob wir Frauen keinen Verstand, keine Ziele
und keine Wünsche hätten! Und wenn wir sie denn je hatten,
dann werden sie von einer großen Kinderschar und
höchstwahrscheinlich einem frühen Tod oder – was noch
schlimmer ist – von öder Langeweile erstickt.«
Millicent
sah sie mit großen Augen an: »Aber Charlotte, wie kannst
du so etwas sagen? Ist es nicht das höchste Glück, zu
lieben und zu heiraten?«
Charlotte
räusperte sich: »Gewiss, du hast recht, Millicent. Ich
hätte so etwas nicht sagen sollen.« Mary jedoch sah sie
aufmerksam an. Dann nahm sie die Freundin noch einmal in den Arm und
flüsterte ihr dabei ins Ohr: »Schreibe mir, sobald du
kannst!« Charlotte nickte und löste sich aus der Umarmung.
»Ich verspreche es. Ich gehe jetzt besser hinunter und kümmere
mich darum, dass die Kutsche bereitgestellt wird.«
******
Die
Kutsche mit den Fortescues war kaum vom Hof gerollt als Charlotte
beschloss, nun dem mysteriösen Verhalten Terencys auf den Grund
zu gehen. Je länger sie darüber nachdachte, desto
merkwürdiger erschien ihr sein plötzlicher Aufbruch. Eine
Ursache in ihrem eigenen Verhalten oder dem der anderen schloss sie
aus. Seltsam war nur die ungewohnte Ungeschicklichkeit von Emmy
gewesen und die dem Zwischenfall nachfolgende empörende
Bemerkung des jungen Edelmannes. Ob hier ein Anhaltspunkt zu finden
war? Am besten, sie fragte Emmy selbst, die um diese Zeit
wahrscheinlich am ehesten in der Küche zu finden war. Wenn
nicht, wusste Mrs Sooner gewiss Rat. Mit entschlossenem Schritt ging
sie um den Gesindetrakt herum, um durch die Gartentür in die
Küchenräume zu gelangen. Tatsächlich fand sie Mrs
Sooner allein in der Küche vor, mit dem Ordnen und Abfüllen
einiger getrockneter Kräuter und Pilze beschäftigt. Sie
hatte ihr den Rücken zugewandt und schien in ihre Arbeit
vertieft.
Als
Charlotte sie ansprach, griff sie schnell nach ihrer Schürze und
fuhr sich über das Gesicht, bevor sie sich nach Charlotte
umdrehte. Es war für diese nicht zu übersehen: Mrs Sooner
war in Tränen aufgelöst.
» Mrs
Sooner!« Charlotte war ganz fassungslos, die resolute und
nervenstarke Seele des Hauses so vorzufinden. »Was ist
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