Pflicht und Verlangen
längeren Klage darüber, wie schwierig es sei, guten
Nachwuchs bei den Dienstboten zu finden und auszubilden. Allzu oft
würden die Zeit und das Geld, das man investiert hätte, mit
Enttäuschung und überdies Frechheit belohnt.
» Mylady,
ich denke, Sie haben doch recht gutes Personal«, sagte Terency
dazu. »Dieses ungeschickte kleine Mädchen hat zumindest
andere Vorzüge. Ein jeder Mensch bekommt doch seinen
morgendlichen Tee lieber von einem frischen jungen Mädchen als
von einem vertrockneten Faktotum serviert, habe ich recht? Und ganz
bestimmt jeder Mann! Sir Alistair bildet da sicher keine Ausnahme.«
Die
Runde quittierte diese Bemerkung mit schockiertem Schweigen. Nur
Terency lachte süffisant darüber, beeilte sich dann aber,
den erneuten Zweifel an seinen tadellosen Manieren mit einer
Überraschung zu zerstreuen. Er habe, so teilte er wortreich mit,
von seinen Reisen überaus interessante Bilderzyklen für die
Laterna magica (20) mitgebracht. Gerade in Wien erfreuten sich diese
unterhaltsamen Geschichten großer Beliebtheit und er wolle,
gesetzt den Fall, dass ein entsprechendes Gerät im Hause
vorhanden sei, ihnen eine kleine Vorstellung geben und sie damit in
die Welt der Wiener Gesellschaft entführen. Überhaupt
schätze er nach wie vor die Leichtlebigkeit, ja, Pikanterie der
Österreicher, die sich auch ein wenig in den mitgebrachten
Bilderzyklen niederschlage. Das sei doch sicher auch für Sir
Alistair von Interesse, sodass er dafür vielleicht sogar sein
wohlverdientes Nickerchen unterbrechen würde. Terency lächelte
erneut auf diese, wie Charlotte fand, unangenehme Weise, und ließ
dadurch durchblicken, dass er damit Themen meinte, die keinesfalls in
den Kreis einer Abendgesellschaft mit anwesenden Damen gehörte.
Entsetzt starrte sie ihn an. Lady Millford hingegen, geradezu
versessen darauf, den hohen Gast zu beeindrucken und deshalb offenbar
auf beiden Ohren taub für dessen Anzüglichkeiten,
beauftragte Arthur hastig damit, die Laterna magica zu holen. Dieses
unterhaltsame Gerät sei vor Jahren natürlich auch von Sir
Alistair angeschafft worden. Nur würde das Herbeiholen ein wenig
Zeit in Anspruch nehmen, entschuldigte sie sich, da das Gerät
schon länger nicht mehr genutzt worden sei und erst gereinigt
werden müsse. Terency zuckte gleichmütig mit den Schultern
und beschied, er würde in der Zwischenzeit in sein Zimmer
hinaufgehen und seine mitgebrachten Bilderfolgen nach einer auch für
junge Damen geeigneten Geschichte durchsehen. Schließlich
stünde den reizenden Misses selbstredend nur die erbaulichste
Zerstreuung zu, und er wolle sich der Erfüllung aller Wünsche,
besonders der Wünsche von Miss Millford, mit aller zur Gebote
stehenden Sorgfalt und Hingabe widmen. Dann begab er sich
höchstpersönlich und jede Begleitung mit dem Verweis
darauf, dass es ja eine Überraschung sein solle, verweigernd,
auf den Weg in sein Zimmer. Es dauerte fast eine halbe Stunde –
Arthur hatte das etwas altertümliche Gerät der Millfords
bereits aufgestellt –, bis Terency zurückkehrte. Er wirkte
etwas erhitzt, ja fahrig, wie Charlotte erstaunt bemerkte. Auch seine
elegante Kleidung war in eine gewisse Unordnung geraten.
Seltsamerweise hatte er nicht einmal die angekündigten Bilder
bei sich.
Es
sei ihm außerordentlich peinlich, brachte Terency merkwürdig
gehetzt hervor, aber ihm sei vorhin beim Durchsuchen seiner Bilder
eingefallen, dass er eine wichtige geschäftliche Unterredung
vergessen habe. Er sei untröstlich darüber, müsse aber
schon morgen in aller Frühe aufbrechen, um einen Freund und
Geschäftspartner, der sich in Bälde auf eine Reise nach
Übersee begeben wolle, noch in Plymouth anzutreffen. Dies sei
ihm in dem Wunsch, sie und vor allem Miss Millford recht bald
wiederzusehen, vollkommen entfallen, aber vorhin wieder eingefallen.
Deshalb würde er es vorziehen, sich zu empfehlen und rechtzeitig
zu Bett zu gehen. Er sei zutiefst zerknirscht über seine
Vergesslichkeit und hoffe, den Besuch recht bald ein anderes Mal
fortsetzen zu können. Auf alle Fälle aber sei es sein
größter Wunsch, die erwähnte Fuchsjagd mit Miss
Millford genießen zu können.
******
Die
gemütlichere Stimmung, die in seiner Abwesenheit unter den
jungen Leuten aufgekommen war, war nun mit einem Schlag wieder dahin.
Da es aber auch schon spät geworden war, nahm Lady Millford die
Gelegenheit wahr, das Beisammensein insgesamt und mit einem Verweis
auf die notwendige Erholung ihres Gatten zu beenden.
Weitere Kostenlose Bücher