Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
tut. In ihrer Anwesenheit
kann er sich entspannen, ohne sich verleugnen zu müssen. »Ein guter Wein«, bemerkt
er nach einer Weile des genussvollen Schweigens. »Du warst also mit Engel beim Pflugstein?«
Sie bejaht
seine Frage.
»Du sagtest
etwas von einem Fluch?«, forscht er nach.
Sie fasst
die Fluchstein-Sage für ihn zusammen.
»Weiß Engel
darüber Bescheid?«
»Ich bin
mir nicht sicher. Er ist meiner Frage ausgewichen. Aber vielleicht liefert uns die
Sage den Schlüssel für den Mord«, schlägt sie vor. »Der Pflugstein muss sowohl für
das Opfer als auch für den Täter ein ganz besonderer Ort gewesen sein.«
»Gut möglich.
Sonst noch etwas, was ich wissen sollte?«
»Sascha
erwähnte, dass du ihn befragt hast.«
»Stimmt.
Ich habe ihm gestern nach unserem Treffen in seiner Wohnung einen Besuch abgestattet.
Weiß er Bescheid, woran Roffler gestorben ist?«
»Ja, ich
habe es ihm gesagt«, gesteht sie. »Übrigens ist Sascha Mitglied bei einer Sterbehilfeorganisation.
Macht ihn die Tatsache, dass er Joe als Letzter lebendig gesehen hat, nicht sehr
verdächtig?«
»Es widerstrebt
mir, zu spekulieren. Wir haben bei allen Verdächtigen Speichelproben entnommen.
Doch wenn wir nichts haben, womit wir sie abgleichen können, ist alles für die Katz.«
»Was dann?«
»Es gibt
noch diverse andere Möglichkeiten, um ein Verbrechen aufzuklären.«
»Wird im
Kanton Zürich denn oft getötet?«
»Im letzten
Jahr waren es über vierzig Tötungsdelikte, davon gut dreißig versuchte, der Rest
vollendete.«
»Und wie
hoch ist die Aufklärungsrate?«
»Sehr hoch,
offen sind nur noch zwei vollendete Tötungsdelikte. Beziehungstaten lassen sich
fast alle aufklären.«
»Was du
vielleicht noch wissen solltest«, unterbricht sie ihn. »Joe und Sascha hatten Ferien
geplant.« Sie erzählt, was sie von Sascha erfahren hat.
»Verstehe.«
»Und da
ist noch was …«
»Ich höre.«
»Sascha
hat bestätigt, dass die beiden Brüder Herkules und Joe sich nicht gut verstanden
haben.«
»Kennt Engel
deine Bekannte?«
»Du meinst
Alex?«, fragt sie nach.
Er nickt.
»Nein.«
Er beugt
sich über die Tischplatte und streckt ihr seine Arme entgegen.
Ihre Stirn
kräuselt sich. »Du hast mich lange warten lassen …«
»Ich weiß.
Kannst du mir vergeben?«
»Ich denke
schon.«
»Wenn dieser
Fall abgeschlossen ist, werde ich mehr Zeit für dich haben. Versprochen«, erwidert
er eindringlich.
Sie legt
ihren Zeigefinger auf seinen Mund. »Bitte, lass es uns nehmen, wie es kommt.«
Er willigt
erleichtert ein.
»Was ich
dich schon in Ägypten fragen wollte. Ist der Mann meiner verstorbenen Freundin Iris
immer noch flüchtig?«
»Du weißt
es nicht?«, entgegnet er verdutzt.
»Was weiß
ich nicht?«
»Kuno Brunner
ist vor gut einem Jahr in die Schweiz zurückgekehrt und hat sich freiwillig der
Polizei gestellt. Die Zeitungen haben darüber berichtet.«
»Komisch,
ich habe nichts mitbekommen«, bemerkt sie erstaunt.
»Mit größter
Wahrscheinlichkeit war Brunner aber nicht der Täter.«
Sie lässt
seine Hände los und sieht ihn erschrocken an. »Sag mir jetzt nicht, dass es Kari
war.«
»Doch. Der
Fall wurde nochmals neu aufgerollt. Brunners Aussage zufolge war er seiner Frau
nachgefahren, weil er glaubte, dass sie sich im Mondmilchgubel mit ihrem Geliebten
treffen wollte. Doch als er dort ankam, war sie bereits tot und Kari kniete neben
ihr.«
»Und warum
hat Kuno die ganze Zeit gelogen und ist ins Ausland abgehauen?«
»Wohl aus
Angst. Zu Recht befürchtete er, des Mordes an seiner Frau angeklagt zu werden. Er
ahnte, dass man ihm nicht glauben würde, nicht zuletzt auch deshalb, weil er von
Anfang an gelogen hatte.«
»Glaubst
du tatsächlich, dass Kari meine Freundin erdrosselt hat?«
»Ja, das
glaube ich«, gibt er ernst zurück.
»Hat Kari
die Tat gestanden?«
Er nickt.
»Und das
mit seinem Gedächtnisverlust?«
»Wahrscheinlich
eine psychisch bedingte Gedächtnisstörung, weil er sich nicht an dieses schlimme
Ereignis erinnern wollte.«
Sie steht
auf und schreitet hinüber zum Terrassengeländer. »Ich kann es einfach nicht glauben«,
murmelt sie kopfschüttelnd.
»Nicht ständig
läuft das Leben so, wie man es sich wünscht«, gibt er zu bedenken. »Auch behinderte
Menschen haben ihre Emotionen nicht immer im Griff.«
»Und jetzt
sitzt Kari im Gefängnis?«, fragt sie traurig.
»Nein, nach
dem Tod seines Vaters kam er in ein betreutes Wohnheim.«
»Ohne seine
Hühnerfarm ist er
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