Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
Überzeugung, dass wir sind, was wir denken.
›Entweder du lenkst dein Leben in die von dir gewünschte Richtung oder du wirst
vom Leben gelenkt‹. Das war sein Leitsatz.«
»Und nun
ist er tot«, unterbricht sie ihn. »Ob er sich das wohl auch erdacht hat?«
Er wendet
seinen Blick beleidigt ab.
»Stellt
sich da nicht unweigerlich die Frage, wie sehr Joe seinen sogenannten Erfolg auf
Kosten anderer gelebt hat?«, provoziert sie ihn weiter.
»Joe war
ein guter Mensch«, verteidigt er seinen toten Freund.
Sie schüttelt
verärgert den Kopf. »Dieses Gespräch bringt uns nicht weiter. Wenn ich die Bilderreihe
an der Wand betrachte, so habe ich das Gefühl, dass du mir immer noch etwas verschweigst.«
Er weicht
ihrem Blick aus. »Die Wahrheit ist, dass ich Joe geliebt habe.«
Sie versucht,
ihre Ungeduld zu zügeln. »Was möchtest du mir wirklich sagen?«
»Also gut.
An diesem letzten Abend haben wir uns gestritten. Ich wollte Joe nicht gehen lassen.
Ich war sicher, dass er sich mit einem anderen Mann treffen würde.«
»Warum warst
du dir da so sicher?«
»Ich habe
ihn einige Tage vorher für ein Bier in die Middlesex -Bar eingeladen. Dort
gab es einen jungen Mann an der Theke, der total scharf auf ihn war. Joe hat mit
ihm geflirtet, obwohl ich neben ihm stand.«
»Und dann?«
»Ich habe
ihn darauf angesprochen, doch er hat nur gelacht und so getan, als sei nichts vorgefallen.«
»Weißt du
wirklich nicht, mit wem er sich an diesem letzten Abend treffen wollte?«
»Nein, er
wollte es mir nicht sagen.«
»Und was
dann?«, drängt sie ihn.
»Das hat
mich sehr verletzt. Mein Gott, wir hatten uns zwei Stunden lang geliebt, und da
will Joe plötzlich weg, ohne mir zu sagen wohin. Verstehst du? Ich war irgendwie
total von der Rolle.«
»Wie soll
ich das verstehen?«, fährt sie dazwischen.
»Ich habe
ihm Vorwürfe gemacht, doch Joe ließ sich nicht umstimmen.«
»Und weiter?«
»Dann bin
ich wütend geworden.«
»Und hast
ihm das Barbiturat untergejubelt«, schneidet sie ihm das Wort ab.
»Du hast
sie wohl nicht alle«, setzt er sich zur Wehr.
»Wenn ich
deine brutalen Bilder betrachte, würde es mich, ehrlich gesagt, nicht wundern.«
Er kontert
aufgebracht: »Ja, es stimmt. Ich habe an diesen Abend nur noch verschwommene Erinnerungen,
weil wir gekifft und zusammen eine Flasche Champagner gehöhlt haben. Aber eins weiß
ich mit Gewissheit. Ich habe Joe nicht getötet.«
»Hast du
das mit dem Kiffen der Polizei erzählt?«
»Nein, natürlich
nicht.«
»Kam Joe
mit seinem Wagen zu dir?«
»Das weiß
ich nicht. Manchmal kam er mit dem Taxi, manchmal mit seinem Wagen.«
»Weißt du,
wo er ihn abgestellt haben könnte?«
»Keine Ahnung.«
»Besitzt
du inzwischen auch ein Auto?«
»Wozu, ich
wohne ja mitten in der Stadt.«
»Könnte
es sein, dass du Joe zu seinem Treffen gefahren hast?«
Er sieht
sie an, als könne er ihr nicht folgen.
»Du hast
darauf bestanden, Joe zu begleiten, und schließlich hat dein Freund zugestimmt.
Du bist gefahren, weil Joe zu betrunken war. Im Auto hast du ihm irgendwie das Barbiturat
untergejubelt und hast ihn dann zum Pflugstein gefahren.«
Sascha fährt
sich erregt durchs Haar. »Was du sagst, ist absolut widersinnig. Abgesehen davon
fahre ich nie, wenn ich Drogen und Alkohol konsumiert habe, und Joe hätte es auch
nicht tun sollen. Doch er hat nicht auf mich gehört, sonst würde er heute noch leben.«
Sie merkt,
dass ihr Verdacht nicht haltbar ist und spult den Verlauf des Gesprächs zurück.
»Was hast
du gemacht, nachdem Joe gegangen war?«
»Ich glaube,
ich habe mich hingelegt.«
»Bist du
an diesem Abend nochmals ausgegangen?«
»Ja, aber
erst viel später.«
»Wohin?«
»In die Middlesex -Bar.«
»Wann bist
du aus dem Haus gegangen?«
»So gegen
zehn. Ich musste unter die Leute, sonst wäre ich vor Eifersucht verrückt geworden.«
»Und wann
bist du nach Hause zurückgekehrt?«
Er zuckt
ratlos mit den Schultern. »Ein, zwei Uhr … Ich kann mich nur noch vage daran erinnern,
weil ich in dieser Nacht ziemlich betrunken war.«
»Hast du
in der Bar mit jemandem gesprochen?«
»Der Barkeeper
ist ein alter Freund von mir. Sicher kann er sich an mich erinnern.«
»Vielleicht
kommt die klare Erinnerung an den Abend zurück, wenn du wieder ausgeruht bist«,
versucht sie ihn aufzumuntern.
»Wie kann
ich mich ausruhen, wenn ich nicht mehr schlafen kann?«, klagt er.
Sein verzweifelter
Blick erschüttert sie. Trotzdem fährt sie mit ihrer Fragerei
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