Pforten der Nacht
hatte kommen lassen, die Weinkaraffe, zwei silberne Becher, eine Schüssel mit Resten von Gesottenem, ein paar Brotstücke.
»Du hattest Besuch?«
Sie zuckte die Achseln. »Nur Datini. Du hast doch selbst angeordnet, dass er sich regelmäßig bei mir zu zeigen hat, um den Nachbarn die neugierigen Mäuler zu stopfen.«
Sie trug ein rotes, enges Kleid, das nachlässig unter dem Busen geschnürt war. Weil sie ihn reizen wollte? Oder weil sie nicht mehr genug Zeit gehabt hatte, sich anständig zu bekleiden? Sein Speichel schmeckte auf einmal bitter.
»Bring mir Wein«, verlangte er. »Ein Tuch zum Trocknen, damit ich mich nicht erkälte. Und spiel mir etwas vor.«
Nana tat, wie geheißen, schenkte Wein aus, holte die Mandoline und schlug eine Weise aus ihrer Heimat an. Schon nach der ersten Strophe verließ ihn die Lust, und er unterbrach sie.
»Wo ist das Kind?«, wollte er wissen.
»Cäcilia? Bei der Bauersfrau«, erwiderte sie ruhig. »Dort, wohin ich sie auf deinen Wunsch gebracht habe. Damit du dich ungestört mit mir vergnügen kannst.«
»Fehlt sie dir nicht?«
Er suchte Streit, das spürte sie mit jeder Pore. Seitdem man seinen Jüngsten ermordet hatte, war er nur noch gereizt und aufgebracht bei jeder Kleinigkeit. Von einer gemeinsamen Zukunft sprach er schon lange nicht mehr, und sie hütete sich wohlweislich, an dieses Thema zu rühren. Es wurde ohnehin von Tag zu Tag schwieriger, mit ihm auszukommen. Vorsichtig bemühte sie sich um die richtige Antwort.
»Ich besuche sie regelmäßig. Sie ist ein braves, schönes Kind. Und klug dazu.« Ihr Tonfall verriet ihren Stolz.
»Kein Wunder bei dieser Mutter - der raffiniertesten Hure weit und breit!« Sie zuckte zusammen, was ihm nicht entging. Ganz im Gegenteil, es machte ihm Spaß, so grob zu ihr zu sein. Und ihm stand der Sinn nach weiteren Derbheiten. Um endlich ihr wahres Gesicht zu enthüllen. Jenes Gesicht, das sie hinter ihrer stets scheinbar gelassenen Maske sorgsam vor ihm verbarg.
Er packte sie, zog sie nah zu sich heran. Roch das schwache Rosenaroma, das ihn früher halb um den Verstand gebracht hatte. Damals hatte er es kaum erwarten können, ihre Küsse zu schmecken, ihre Haut zu spüren. Jetzt aber war seinem Verlangen Ekel beigemischt. Der jungen Dirnen, mit denen sie eine Zeitlang seine abgestumpfte Begierde gereizt hatte, war er längst überdrüssig. Sie wollte er demütigen, ihr beweisen, wer hier einzig und allein das Sagen hatte. Am meisten genoss er es, wenn er sie zum Weinen bringen konnte.
»Dreh dich um!«
Sie gehorchte, aber nicht schnell genug für seinen Geschmack. Er stieß sie ungehalten nach vorn, bis der Tisch das Weiterkommen verhinderte. Dann hob er ihre Röcke. Wieder schlug ihm ihr vertrauter Duft entgegen, stimmte ihn für einen Augenblick versöhnlich, dann wehmütig, bis seine Stimmung erneut umschlug. Sie war ein Weib wie all die anderen auch, dazu da, beherrscht und bezwungen zu werden. Was sollten süße Worte, wozu war das sinnlose Liebesgestammel nütze, mit dem er schon so oft seine Zeit und seine Kraft vergeudet hatte? Er zahlte teuer für sie, viel zu teuer, wenn er es recht bedachte, seit Jahren schon, und trotzdem hatte sie ihm bis heute eigensinnig verweigert, wonach er sich so sehr gesehnt hatte.
Büßen sollte sie dafür, dass sie ihm nicht den Sohn geboren hatte, der Felix ja doch niemals ersetzen könnte - büßen!
Er vergrub seine Hand in ihrem Nackenhaar, drang von hinten in sie ein, ohne sich um ihren empörten Aufschrei zu kümmern. Ja, er tat ihr weh. Und er wollte ihr wehtun mit aller Macht! Stieß ein paarmal zu, hart und heftig, bis er spürte, dass ihn die Lust zu einem wilden, einsamen Höhepunkt trieb, und erschlaffte.
»Und jetzt bring mir etwas zu essen, aber schnell!« Keiner Bauernmagd hätte er unwirscher befohlen.
Nana Tarlezzo dreht sich langsam zu ihm um. Speichel rann ihm aus dem Mund; sein Gesicht war satt und träge. Er war ein alter Mann, ein abstoßender, gemeiner alter Mann, der den Tod verdiente.
Sie lächelte krampfhaft. In ihren ausdrucksvollen dunklen Augen aber schimmerten die lang unterdrückten Tränen des Zorns und der Wut.
Der November war fast vorüber, als ein schäbiger Karren vor dem Haus »zum Bogen« hielt. Flora, immer die Erste, um Neuankömmlinge zu begrüßen, jauchzte vor Freude, als sie entdeckte, wer gekommen war und den müden Gaul ausspannte: Bocca, der Gugelmann, inzwischen kein magerer Halbwüchsiger mehr, sondern ein schlanker Jüngling
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