Pforten der Nacht
Anwesen zu vergleichen, in denen die frommen Frauen in Brügge oder Gent zu Hause waren. Aber es war immerhin ein Steingebäude mit dicken Mauern und einem soliden Ziegeldach, in dem es sich bei Kälte und Hitze entschieden besser aushalten ließ als in den feuchten Fachwerkbauten, die nur mit Stroh gedeckt waren und überschüssige Nässe durchließen oder sich im Sommer unerträglich aufheizten. Die meisten der rund fünfzig anderen Konvente, die es in Köln gab, konnten sich diesen Luxus nicht leisten. Sie besaßen auch nicht den großen Garten des Hauses in der Glockengasse, in dem verschiedenste Heilpflanzen unter Bertas und Margaretes gemeinsamer Fürsorge so zahlreich gediehen, dass sie in einer hauseigenen kleinen Apotheke verkauft werden konnten.
Regina Brant hatte sich selbst um die Einrichtung des holzgetäfelten Ladens gekümmert, der guten Ertrag brachte; sie war es auch, die die Verhandlungen mit den Zünften führte, die stets besorgt waren, die Spitzenproduktion der Beginen würde ihnen unstatthafte Konkurrenz machen. Allerdings gab es einen Garanten, der dafür sorgte, dass sich der Ärger mit den Handwerksmeistern in Grenzen hielt: der hohe Klerus und Walram von Jülich, der Erzbischof von Köln, der aus einem Grafengeschlecht stammte und selber ein eifriger Abnehmer der duftigen Klöppeleien war. Regina war es immer wieder geglückt, für neue, gut bezahlte Aufträge zu sorgen. Vermutlich hatten die Schwestern sie deshalb erneut zur Meisterin gewählt, ein Amt, das ursprünglich auf zwölf Monate beschränkt gewesen, nunmehr allerdings auf ausdrücklichen Wunsch aller Bewohnerinnen auf fünf Jahre erweitert worden war.
Sie dehnte und streckte sich und blieb noch ein bisschen liegen. Viva begann zu miauen, musste aber noch warten. Diese Augenblicke nach dem Aufwachen, wenn der Körper noch weich und schlafwarm war, gehörten ihr, weil sie sich am besten zum Nachdenken eigneten. Früher hatte sie in solchen Momenten von einem Leben in Ruhe und Frieden geträumt; jetzt, wo sich ihr Wunsch erfüllt hatte, kamen ihr oft die trefflichsten Ideen, um die finanzielle Unabhängigkeit des Konvents zu fördern, eine Aufgabe, die ihr neben der Verwaltung der eingebrachten Mitgift der Bewohnerinnen ganz besonders am Herzen lag. Dann fielen ihr auch geeignete Maßnahmen ein, um die zahlreichen Gegner und Neider in die Schranken zu weisen.
Denn beileibe nicht allen in der Stadt gefiel das zurückgezogene keusche Leben, das die Schwestern bei harter Arbeit hier führten. Viele argwöhnten heimliche Ausschweifungen und unterstellten die Neigung zu Unzucht und Ungehorsam, und je weniger Informationen aus den dicken Mauern herausdrangen, umso blühender gedieh der Klatsch. Am meisten störte die Öffentlichkeit offenbar, dass die Frauen keiner männlichen Obrigkeit unterstanden und sich selber regierten. Männer durften nach den Regeln des Konvents die Beginenhäuser nicht betreten; nicht einmal, wenn es Verwandte waren. Selbst der Heilige Vater in Avignon war zu diesem heiklen Punkt schon angerufen worden und hatte in seiner Güte und Umsicht verfügt, dass lediglich Geistliche die Ausnahme bilden sollten. Ursprünglich war es der Dominikanerorden gewesen, den man dazu beauftragt hatte; in Köln jedoch hatten schon vor einer Reihe von Jahren die Minderbrüder dieses wichtige Amt für einige Häuser der frommen Schwestern übernommen. Ein Fakt, der Regina besonders glücklich stimmte. Was nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass Bruno de Berck der Beichtvater ihres Konvents war.
Die Gefahr, dass Beginen der Ketzerei verdächtigt wurden, schien zumindest im Augenblick gebannt. Obwohl erst vor Kurzem wieder einmal beunruhigende Gerüchte über neuerliche Verbote und Verfolgungen laut geworden waren, die angeblich direkt aus dem erzbischöflichen Palast stammen sollten. Die Beginen hatten ein paar schlaflose Nächte voller Angst und Sorge verbracht. Bislang jedoch war glücklicherweise nichts dergleichen passiert, und allmählich war wieder Beruhigung eingekehrt. Alles, wie es schien, reine Erfindung. Aber selbst wenn nicht stimmte, was man sich flüsternd weitergesagt hatte, konnte sich das nur allzu schnell wieder ändern, wie unter dem Vorgänger des amtierenden Erzbischofs, Heinrich von Virneberg, der die Verfolgung der frommen Schwestern und Brüder zu seinem ganz persönlichen Kreuzzug gegen Ketzerei erhoben hatte.
Außerdem gab es noch immer Scharen frei herumziehender Frauen und Männer im ganzen Land und
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