Pforten der Nacht
Bettstatt nicht mehr, weigerte sich, auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen. Lachte und jubilierte im nächsten Moment, als die ersehnte Einladung ins Haus flatterte.
»Willst du mich?«, flüsterte er an ihrem Hals, anlässlich der mittäglichen Bootsfahrt, als das Schiff träge den Fluss hinunterglitt und die reiche Stadt mit den zwölf Toren hinter sich ließ. Im blauen Wasser hörte sie die Flussgeister und Nymphen glucksen, von denen ihre Amme Saskia immer erzählt hatte. Neckten sie sie? Forderten sie sie auf, jeden Anstand, jede Scham einfach hinter sich zu lassen, nur, um mutig und wild zu sein? Das Glück mit beiden Händen zu ergreifen und nie mehr freizugeben? Sonnenlicht auf seinem Gesicht, dem geliebten, das sie nicht mehr vergessen konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Er roch nach Sommer, nach Mann, nach allen Verheißungen dieser Erde, die sie sich nur vorstellen konnte. Sie hatte solches Verlangen nach seiner Berührung, dass es wehtat.
»Willst du mich, Bela?«, wiederholte er fordernd.
Sie nickte, unfähig zu sprechen. Nur ihr Mund zuckte. Nie im Leben hatte sie etwas mehr begehrt. Und sich nie zuvor so hilf-, ja willenlos gefühlt.
»Ich brauche eine besondere Frau«, murmelte er weiter und quetschte ihre Hand so fest in seiner, dass sie beinahe aufgeschrien hätte, »ein Weib, um ein Geschlecht von Riesen zu zeugen, das es mit der ganzen Welt aufnehmen kann. Lauter Männer, die andere das Fürchten lehren. Du bist schön und stolz, klug und reich, aber bist du dafür auch stark genug?«
Ihr Lächeln verflog. Die Gesichter waren einander sehr nah. Jetzt waren die Flussgeister verstummt, und sogar die Bäume am Ufer schienen erstarrt. Mit überwältigender Selbstsicherheit und ohne sich um Frans de Huggenrode zu kümmern, der am Bug stand, legte er ihr den Arm um die Schultern.
»Die Frau ist nicht aus den Füßen des Mannes geschaffen, daher soll er sie nicht mit Füßen treten. Aber auch nicht aus seinem Haupte«, sagte er träge. »Daher darf sie ihn nicht dominieren. Es gehört viel Kraft dazu, Demut zu haben, mein Mädchen. Aber vielleicht verstehst du gar nicht, was ich meine.«
Er strich über ihren Kopf, und sie lenkte sein Handgelenk.
»Sieh mich an«, flüsterte sie. Am liebsten hätten ihre Hüften lange, warme Wellenbewegungen vollführt, so sehr verlangte es sie nach ihm. »Natürlich verstehe ich! Ich bin die, auf die du gewartet hast. Ich weiß es ganz genau. Ich und keine andere. Ich will deine Frau sein, Jan. Ich kann stark sein und schwach dazu. So schwach, wie du nur willst.«
Er lachte. Sein Atem kitzelte sie. Er hatte Wein getrunken, den ganzen Morgen schon, aber sie hätte sich keinen angenehmeren Geruch vorstellen können. »Ein großes Wort«, sagte er leise. »Trotzdem, Bela, mir scheint, du weißt nicht, worauf du dich da einlässt. Wie denn auch - in dem schönen goldenen Käfig, in dem du lebst! Die Welt ist anders, als ihr euch in euren flandrischen Bürgerhäusern vorstellt. Und ich bin es auch. Bin kein einfacher Mann, meine Schöne, beileibe nicht, sondern schwierig, jähzornig, unstet. Keiner, der sich mit dem Erreichten zufrieden gibt. Ich bin einer, der mehr, der alles will. Es gibt keine Rast für mich, keine Sättigung, kein Genug. Der Tag könnte allzu schnell kommen, an dem du vielleicht bitterlich bereust …«
Sie verschloss seinen Mund mit einem Kuss. Sollte alle Welt doch denken, was sie mochte! Hier war ihr Leben. Ihre Liebe. Ihre Zukunft. Wenn sie jetzt nicht zupackte, war vielleicht alles verloren. Er schien überrascht, aber nur einen Augenblick lang, dann küsste er sie zurück, fordernd, lange, voller Leidenschaft, stieß ihr die Zunge in den Mund, biss ihre Lippen wund, bis ihre Knie sogar im Sitzen ganz schwach wurden. Alles um sie herum versank. Wenn er Anstalten gemacht hätte, sie hätte sich ohne Gegenwehr von ihm nehmen lassen, hier, auf den harten, sonnendurchglühten Schiffsplanken, vor den Augen des Vaters. Aber er schien anderes im Sinn zu haben. Seine Stimme veränderte sich, als er sie abrupt losließ, wurde spöttisch und hell.
»Dann freie ich also um dich. In aller Form. So, wie es sich gehört. Sollen wir gleich mit deinem Vater sprechen? Auf der Stelle?« Er lachte wie ein heidnischer Faun. Frech. Unbekümmert. Unwiderstehlich. Und ihr Blut geriet abermals in Wallung. »Damit es nicht mehr so schrecklich lange dauert bis zur Hochzeitsnacht, meine hübsche, kleine, gierige Braut aus Flandern!«
Ein zorniger Windstoß
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