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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Familien der Richerzeche errichten lassen?«
    »Warum eigentlich nicht?«, erwiderte er in gespieltem Ernst. »Für unser Gewerbe müssen wir uns jedenfalls nicht schämen. Erst recht nicht, wenn in unseren Gruben kein Gramm Tannin mehr zu finden sein wird, sondern nur noch Trane und Knochenfette. Oder möchtest du vielleicht keinen ehrbaren Weißgerber zum Mann?«
    Sie ließ zu, dass er sie umarmte, wie sie sich auch seinen Annäherungen in der Schlafstube niemals widersetzt hatte. Zu ihrer eigenen Überraschung spürte sie keinerlei Widerwillen gegen seinen kräftigen, nicht mehr jungen Körper, der zum Glück keine Ähnlichkeit mit dem von Johannes besaß. Mittlerweile flößten ihr auch die schwieligen Gerberhände mit den Rissen und Schnitten kein Unbehagen mehr ein, die so überraschend zärtlich sein konnten. In der Hochzeitsnacht hatte sie die Augen geschlossen und ein kurzes Gebet gesprochen, in der Hoffnung, es würde bald vorbei sein und ihr nicht allzu wehtun. Das war der Preis für ihr Leben und das des Kindes, das in ihr wuchs; sie war einverstanden gewesen, ihn zu bezahlen. Anna war erstaunt, wie behutsam er sie anfasste, staunend, beinahe ehrfürchtig. Als er ihre Brüste berührte, zuckte sie einen Moment zurück.
    »Hab keine Angst, mein Engel«, flüsterte er, und sein kurzer Bart kitzelte ihre Haut. »Ich weiß, du bist ein Wunder. Ein Geschenk, direkt vom lieben Gott. Und genauso werde ich mit dir umgehen.«
    Zu ihrer Überraschung ging auch ihr Atem schneller, und als er schließlich ihren Schoß öffnete und in sie drang, tat er es ohne Hast. Er kam nach einigen Bewegungen mit einem erstickten Schrei; blieb lange Zeit ruhig auf ihr liegen, dass sie schon dachte, er sei eingeschlafen.
    »Du hast mich heute zum glücklichsten Mann Kölns gemacht«, sagte er schließlich. Seine Augen schimmerten feucht im Licht der drei kostspieligen Wachskerzen, mit denen er den rußenden Kienspan ersetzt hatte. »Und ich werde dafür sorgen, dass du auch eine zufriedene Frau wirst. Das gelobe ich dir.«
    Er hielt sein Versprechen, war liebevoll, einfallsreich. Geduldig. Die letzten Wochen vor der Geburt bedrängte er sie nicht mehr, sondern begnügte sich damit, ihren Bauch zu streicheln. Irgendwann verblasste die Erinnerung an jene schreckliche Fastnacht, sie verschwand nicht, aber wurde blasser und fadenscheiniger wie ein vielfach gewaschenes Gewand. In Leonharts Nähe fühlte sie sich sicher und geborgen; er, das wusste Anna inzwischen, würde sie niemals verletzen. Dafür achtete sie ihn. Auch nach der Niederkunft war er zurückhaltend, so lange, bis Annas Milch allmählich versiegte. Die Gesellen begannen sich über seine Launen zu beklagen; auch sie spürte eine wachsende Unruhe bei ihrem Mann, deren Grund sie nur zu gut zu kennen glaubte. Da waren seine heimlichen Blicke, seine leisen Seufzer, sein unsicheres Tasten nach ihr, wenn sie gerade aus der Tür wollte. Bevor seine Sorgenfalten auf der Stirn erneut tiefer und das herzliche Band zwischen ihnen, das sich allmählich entwickelt hatte, loser werden konnte, beschloss sie, das Heft eigenmächtig in die Hand zu nehmen. »Bin ich denn tatsächlich so alt und hässlich geworden?«, fragte sie ihn, als er sich wie viele Nächte zuvor mit einem Kuss auf ihre Stirn zur Seite rollen wollte.
    »Du willst, dass ich zu dir komme?« Seine Stimme klang ungläubig. »Du, Anna?«
    »Ja, ich. Stell dir vor, Leonhart! Und zwar jetzt und hier, wenn du es genau wissen willst.«
    »Und das Kind?«
    Sacht berührte Anna mit dem ausgestreckten Fuß die kleine Wiege neben der Bettstatt und setzte sie in Bewegung. »Flora kann sich doch nichts Besseres wünschen als ein Elternpaar, zugetan in Zärtlichkeit, oder?«
    »Du bist eine richtige Hausfrau geworden«, sagte Regina, als sie sie mit der Kleinen an diesem Nachmittag im Beginenhof besuchte. Sie waren in der Küche, wo sie gerade ein Mittel gegen die Zahnschmerzen zubereitete, über die Ardin seit einigen Tagen klagte. Zwei Unzen geschrotete Hirse, die sie mit zwei Gläsern Wein aufkochen ließ. Anschließend seihte sie die Flüssigkeit ab und füllte sie in ein Fläschchen. »Zu Hause abermals erwärmen«, befahl sie Anna. »Und im Mund lassen, so heiß er es aushält. Wenn das nicht hilft, muss er zum Bader und sich den Zahn ziehen lassen.«
    »Ist das ein Vorwurf?« Anna hinderte Flora daran, die graue Katze am Schwanz zu packen, die sich neugierig hereingeschlichen hatte.
    »Ganz im Gegenteil. Ich bin froh, dass es

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