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Phantasie und Wirklichkeit

Phantasie und Wirklichkeit

Titel: Phantasie und Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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vergesse das Baby nicht. Aber Grainger schien ih r das nicht abzunehmen, oder?»
    «Aber sie war schwanger.»
    «Ja, sie sagte die Wahrheit über ihre
Schwangerschaft. Tatsächlich sagte sie vielleicht mehr Wahres, als zuzugeben sie
bereit war — sogar sich selbst gegenüber. Stellen wir einen hypothetischen Fall
auf. Angenommen, sie wollte gar nicht das Ehepaar ermorden, das sie, wie sie
sich vormachte, haßte? Angenommen — in ihrer Geschichte —, sie wollte genau die
Leute ermorden, die sie tatsächlich ermordete: die Dame des Hauses und den
Liebhaber dieser Dame? Angenommen, diese beiden hatten sich heftig
ineinander verliebt? Angenommen — wieder wie in ihrer Geschichte —, die Dame
des Hauses war überglücklich, von der Untreue ihres Ehemanns zu erfahren? Weil
sie sich dann scheiden lassen konnte und ihren neuen Liebhaber heiraten... den
Mann, der bei den Blumenbeeten stand und sich um den Rasen kümmerte...»
    «Den Mann, der auf eine Tasse Kaffee
ins Haus kam, Sir.»
    «Vielleicht. Aber vergessen Sie nicht,
daß sie uns in der Geschichte nicht einfach eine Reihe von Tatsachen mitteilte; eine ganze Menge erfand sie auch, während sie schrieb.»
    «Tatsächlich, Sir?»
    Lewis, wie Morse in der Abenddämmerung
gerade noch feststellen konnte, lächelte still vor sich hin.
    «Was zum Teufel ist in Sie gefahren,
Lewis? Sie bringen einen Hauptzeugen gegen sich auf; Sie marschieren davon und
besorgen ein hieb- und stichfestes Alibi für sein Eheweib, und jetzt sitzen Sie
da und grinsen wie eine Katze, die den Sahnetopf geleert hat...»
    «Nebenbei bemerkt, Sir, sie haben eine Katze — ich habe nebenan gefragt. Sie heißt
    «Sonst haben Sie mir nichts zu
berichten, oder?» fragte Morse und musterte seinen Sergeanten nachdenklich.
    «Tatsächlich gibt es da was, Sir — ja.»
    «Raus damit, Mann!»
    «Gestern, Sir, als wir Paul Bayley
vernahmen, sagte er, er habe die ganze Nacht mit seiner Freundin verbracht.»
    «Das haben Sie mir gesagt. Sie sagten,
Sie hätten das überprüft.»
    «Ich habe es überprüft. Bayley sagte,
sie sei ausgerechnet an dem Tag umgezogen — offenbar war sie für den Geschmack
ihres Vermieters zu großzügig mit Herrenbesuchen umgegangen und — nur
vorübergehend, wohlgemerkt — ohne festen Wohnsitz. Aber Bayley sagte, sie wäre
höchstwahrscheinlich in der City Centre Westgate Library — wo sie fast jeden
Vormittag hingehe — , in der Abteilung für lokale Geschichte...»
    «Wo sie auch war!»
    Lewis nickte. «Sie stelle
Nachforschungen über Nuneham Courtenay und das Verlassene Dorf an. Sagte sie.»
    «Und?»
    «Und... das wär’s in etwa.»
    «Tatsächlich?»
    «Sie ist eine sehr schöne Frau, Sir.»
    «Schöner als Sheila Poster?»
    «Würde ich sagen. Mehr mein Geschmack
jedenfalls.»
    «Und sie würde den meisten Männern
gefallen?»
    «Wenn sie die Chance hätten.»
    «Und Bayley hatte die Chance.»
    «Ich bin mir ziemlich sicher. Er wohnt
jetzt etwa vier Monate am Jowett Place. Anfangs arbeitslos, doch dann hatte er
Arbeit — sagt sein Vermieter.»
    «Sein Vermieter? Wann haben Sie mit ihm gesprochen?»
    «Er kam gestern zur Mittagszeit vorbei,
als Sie im Pub waren. Und aus dem, was er sagte...»
    «Das haben Sie bisher nicht erwähnt.»
    «Ich dachte, ich würde ein bißchen auf
eigene Faust ermitteln, Sir. Sie haben nichts dagegen?»
    «Versuchen, selbst den Fall zu lösen,
meinen Sie?»
    «Versuchen, ja. Und der Vermieter sagte,
es sei Sheila Poster gewesen, die Bayley von der leerstehenden Wohnung über ihr
erzählt und ein gutes Wort für ihn eingelegt habe — ein gutes Leumundszeugnis
über ihn abgegeben habe. Aber nicht nur das. Ich schätze, sie war es, die
Bayley von dem Job als Gelegenheitsarbeiter erzählte, der im Haus der Grainger
zu vergeben sei.»
    Morse pfiff leise vor sich hin. «Sie
behaupten, Bayley war der Gelegenheitsarbeiter?»
    «Genau das behaupte ich, Sir!»
    «Sind Sie da ganz sicher?»
    «Noch nicht», erwiderte Lewis mit
strahlendem Gesicht.
    «Daß wir da ganz klar sehen. Sie
behaupten, daß Bayley für Mrs. Sylvia Grainger arbeitet, sie verknallt sich in ihn ,
er verknallt sich in sie, sie weiß, daß ihr Ehemann eine Affäre mit der Putzfrau hat, sie hat Beweise dafür. Dann» (Morse machte eine kurze Pause um des
Effektes willen), «gerade als alles in Butter zu sein scheint, behauptet diese
Putzfrau, sie sei schwanger. Doch nicht von Grainger...»
    «...sondern von Bayley. Ja,
Sir.»
    «Und Bayley geht Sonntag nacht

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