Phantasmen (German Edition)
verengte die Augen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Mein Team und ich haben die Probanden erst zu sehen bekommen, nachdem …«
»Nachdem was?«, fragte Tyler.
Ich sicherte die Waffe und schob sie in meinen Hosenbund. Es blieb trotzdem das ungute Gefühl, dass ich mir bei jedem Schritt ins Bein schießen könnte.
»Nachdem was ?«
»Nachdem man ihnen bereits die Haare abrasiert hatte. Und die Augenbrauen.«
Tylers Gesicht war jetzt wie aus Stein. In seinen Augen aber loderte ein gefährliches Feuer, das ich gleichermaßen beunruhigend und faszinierend fand.
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte er leise. »Sie und Ihr Mann waren die Leiter dieser … Forschungseinrichtung. Sie wollen mir doch nicht weismachen, Sie hätten nicht genau gewusst, mit wem Sie es zu tun hatten!«
Noch einmal sah ich hinaus zum Solarfeld. Haven hatte von Teresa Salazar eine falsche Information erhalten, der er noch immer nachging. Wie lange würde er sich hinhalten lassen? Jeden Augenblick konnte sich eine Lichterkolonne aus dem Neonraster der Solarmodule lösen und den Hügel heraufkommen.
»Ich kenne dieses Mädchen nicht«, behauptete die Wissenschaftlerin. »Wenn sie vor mir auf dem OP-Tisch lagen, waren ihre Gesichter abgedeckt. Nur die Augenpartie war zu sehen. Und später –«
»OP-Tisch«, wiederholte er leise.
»Es bedarf eines substanziellen Eingriffs, um den Nervus ophthalmicus und die Retina für die Aufzeichnung zu präparieren.«
Tyler verschränkte die Hände im Nacken, bewegte sich einige Schritte von Teresa Salazar fort und hielt dabei die Augen geschlossen. Der Raum schien aufgeladen mit seiner Aggression. Langsam drehte er sich um und kam zurück zum Sessel, die Hände noch immer am Hinterkopf, als müsste er sie auf Abstand halten, damit sie sich nicht wie von selbst um den Hals der Frau schlossen.
»Tyler«, sagte ich, »wir müssen allmählich weg von hier.«
Emma nickte zustimmend.
Er aber war noch nicht fertig. »Nachdem Ihr Mann gestorben ist, was ist da mit den vier geschehen, die hiergeblieben sind?«
»Nach dem Tod meines Mannes«, sagte die Frau nach kurzem Abwägen, »wurde die Einrichtung geschlossen. Ich bin seit einem Jahr nicht mehr dort unten gewesen.«
Mit wenigen Schritten war ich bei ihr. »Wollen Sie damit sagen, Sie haben die vier einfach zurückgelassen? Dort unten in der Hot Suite?«
»Dann sind sie verdurstet«, stellte Emma nüchtern fest. »Ein Mensch überlebt ohne Flüssigkeit nicht länger als –«
»Nein, ihr versteht das nicht«, unterbrach die Wissenschaftlerin sie. »Diese Probanden waren absolut vollkommen. Sie waren die besten Versuchsobjekte, die man uns je geliefert hat, ideal in jeder Beziehung. Selbst diese vier erholten sich wieder, nachdem wir uns ganz auf sie konzentrieren konnten. Ihre Belastungsfähigkeit schien keine Grenzen zu kennen. Nahrung brauchten sie alle schon lange nicht mehr, auch kein Wasser. Etwas anderes hat sie am Leben gehalten. Etwas aus den Kammern !«
Es war das erste Mal, dass sie diesen Begriff benutzte. Damit stellte sie eine Verbindung zwischen ihren Forschungen und den Geistern her. Sie und die anderen hatten in der Hot Suite versucht, einen Blick ins Jenseits zu werfen. Hatten sie ein Tor aufgestoßen und es dann nicht mehr schließen können?
» Sie waren das!«, platzte es aus mir heraus.
Ihr Widerspruch kam schnell und entschieden. »Nein! Wir haben nur beobachtet, aufgezeichnet und analysiert. Uns die Schuld daran zu geben ist, als würdest du einen Meeresbiologen für einen Tsunami verantwortlich machen.«
Ich beugte mich näher an sie heran. »Ein Meeresbiologe schneidet nicht an Menschen herum! Er sperrt sie nicht in Bunker und lässt sie dort verrotten!«
Tyler schob mich beiseite, um Teresa Salazar in die Augen zu sehen. »Sind die vier noch immer dort unten?«
Sie lächelte wieder und legte einen Finger an die Lippen. »Horcht!«
Ich ballte eine Faust, hielt aber den Atem an und lauschte. Da war der ferne Lärm vom Solarfeld, die Motoren und das diffuse Getöse.
»Haven ist jetzt unten in der Hot Suite und packt alles zusammen, was er findet«, sagte die Wissenschaftlerin. »Die vier Probanden wird er ebenfalls mitnehmen.«
Tyler trat fluchend gegen den Sessel. Das Möbelstück verrutschte und nun konnte Teresa Salazar das Porträt ihres Mannes nicht mehr sehen. Sie versuchte den Kopf zu drehen, aber ich packte sie an der Schulter und zog sie noch weiter herum.
»Haven war hier und hat Informationen von Ihnen
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