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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Selbstmordversuche …«
    »Tabletten«, sagte er. »Dabei ist die Chance am größten, dass sie dich zurückholen können.«
    Emma druckste herum und da ahnte ich schon, dass das Nächste, was sie sagen würde, nicht besonders feinfühlig ausfallen würde. »Warum wolltest du mit so jemandem zusammen sein?«
    Tyler gab keine Antwort.
    Nach kurzem Zögern sagte ich: »Du setzt dein Leben für jemanden aufs Spiel, der eigentlich tot sein wollte.« Ich hätte auch unser Leben sagen können, aber ich wollte nicht, dass er es als Vorwurf missverstand.
    Ich erwartete, dass er auf der Stelle in die Luft gehen würde, doch Tyler blieb ganz ruhig. »Sie wollte nicht sterben. Sie wollte nur sehen.«
    Vor uns weitete sich die Helligkeit aus, wurde von einem vagen Fleck zu einem verschwommenen Rechteck. Die Staubschwaden wurden dünner. Auch der Trümmerteppich war zurückgeblieben; wir mussten nicht mehr bei jedem Schritt fürchten, uns im Dunkeln die Knöchel zu brechen. Selbst der Gestank des Rauchs ließ nach. Wie groß der Ausgang tatsächlich war, ließ sich nicht abschätzen, ebenso wenig die Entfernung bis dorthin. Aber wir kamen dem Tageslicht immer näher und das gab uns die Kraft, wieder schneller zu werden.
    »Seht ihr das auch?«, fragte ich kurz darauf und blieb stehen.
    Emmas Finger drückten meine wieder ein wenig fester.
    Das helle Rechteck schloss nach oben, rechts und links mit schnurgeraden Kanten ab, nebelhaft und doch wie mit dem Lineal gezogen. Nach unten hin aber schien es zu zerfasern.
    Ich kniff die Augen ein wenig zusammen, um schärfer sehen zu können. »Was ist das?«
    »Wenn wir nicht weitergehen«, sagte Tyler, »finden wir es nie heraus.«
    Das Viereck am anderen Ende des Tunnels wurde mit jedem Schritt größer, ein weißes Fenster inmitten der Finsternis.
    Davor standen Geister, mindestens ein halbes Dutzend. Ihre Oberkörper verschmolzen mit dem Licht. Wie stumme Wächter standen sie zwischen uns und dem Ausgang.
    Zu ihren Füßen lagen Tote.
    »Sie sind geflohen«, sagte Emma.
    »Aber warum in den Tunnel?«, fragte Tyler.
    »Weil es dort draußen noch schlimmer ist«, sagte ich. »Weil etwas auf der anderen Seite des Tors sie so sehr in Panik versetzt hat, dass sie lieber die Dunkelheit in Kauf genommen haben.«
    Wir waren noch zwanzig Meter von den vorderen Geistern entfernt, als wir erkannten, woher die Helligkeit auf der anderen Seite der Öffnung rührte.
    Es war kein Tageslicht.

24.
    »Das ist ein Sterbehaus«, flüsterte ich.
    Eine unterirdische Anlage von gewaltigen Ausmaßen – ein Ort, um die Geister sterbender Menschen zu sammeln und abseits der Lebenden einzulagern.
    Begonnen hatte es fünf Monate nach Tag null. Per Regierungsdekret waren die Todkranken und Sterbenden aus Kliniken, Altenheimen und Privathäusern abtransportiert und an Orte gebracht worden, an denen sie bis zu ihrem Ende bleiben mussten. Anschließend konnten die Angehörigen die Körper abholen und bestatten; die Geister aber blieben im Sterbehaus zurück. Es war der aussichtslose Versuch, einen Teil der Erscheinungen zu isolieren, noch bevor sie überhaupt auftauchten.
    Natürlich hatte es Proteste gegeben. Von Konzentrationslagern für Alte und Kranke war die Rede gewesen. Aber sollte die Welt tatenlos zusehen, bis die Geister irgendwann überall waren und den ganzen Planeten in weißes Licht tauchten? In ein paar Ländern war diese Praxis wieder aufgegeben worden, doch die meisten betrieben es weiterhin, darunter die Europäische Union, die USA und totalitäre Staaten wie China und Russland. In den Steppen Sibiriens und den asiatischen Wüsten waren gigantische Sterbestätten entstanden. Länder mit höherer Bevölkerungsdichte nutzten ehemalige Bergwerke und Bunkeranlagen, ähnlich den Endlagern für Atommüll.
    Die Höhlen unter der Desierto de Tabernas erfüllten alle Voraussetzungen und so war es kaum überraschend, hier auf ein Sterbehaus zu stoßen. Es war offenbar erst kürzlich von den Lebenden verlassen worden, auf der Flucht vor den Smilewaves.    
    Tyler zog das Fernglas aus seiner Jacke, vergewisserte sich, dass die Geister nicht lächelten, und versuchte, einen Blick durch die Öffnung hinter ihnen zu werfen.
    »Es ist unglaublich hell da drinnen«, sagte er. »Ich kann überhaupt nichts erkennen.«
    »Irgendwo hab ich gelesen, dass es in manchen Sterbehäusern Hunderttausende von Geistern gibt«, sagte ich. »Weil sie keinen physischen Raum einnehmen und man auf einem Quadratmeter eine

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