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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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davonziehen, die Schwächeren sterben.
    Und jeden Augenblick mochte Havens Konvoi die Hügel heraufkommen.
    »Fahren wir«, sagte ich, »bevor das Imperium zurückschlägt.«
    Haven musste von rechts über die Kuppel kommen, wir bogen nach links und fuhren bergab. Die Söldner konnten weder wissen, dass wir überlebt hatten, noch, dass wir in diesem Wagen unterwegs waren. Vielleicht würde es genügen, ihnen auszuweichen oder, falls sie uns doch zu nahe kamen, die Köpfe einzuziehen.
    Emma hatte den Rucksack wieder auf ihren Schoß gezogen und einen Arm darumgelegt, als wollte sie Laptop und Disc mit ihrem Leben beschützen.
    Bald mussten wir wieder von der Straße herunter und auf Feldwege ausweichen. Auf Olivenhaine folgte eine ausgedehnte Orangenplantage. Wir hielten an und pflückten so viele Früchte, wie wir auf die Schnelle einpacken konnten. Zumindest an Vitamin-C-Mangel würden wir nicht sterben.
    Kurz darauf erreichten wir das Ende der Plantage. Vor uns befand sich ein kleiner Bahnübergang mit offenen Schranken. Das verglaste Häuschen des Bahnwärters war leer.
    Unmittelbar davor war ein Güterzug in einen Lkw gerast, hatte ihn entzweigerissen und die Zugmaschine fünfzig Meter vor sich hergeschoben. Totenlicht schien aus dem zerstörten Fahrerhaus. Die Lokomotive war entgleist und in einen Graben gestürzt, der zweite Waggon stand schräg und hatte sich fest im Erdreich verkeilt, die übrigen sieben befanden sich noch auf den Schienen. Nirgends war ein Mensch zu sehen.
    Im Schritttempo näherten wir uns dem Übergang. Hier kamen wir nicht weiter. Wieder stiegen wir aus und beratschlagten, was zu tun sei. Die Gleise waren auf einem mannshohen Wall verlegt worden, davor verlief der Graben. In beiden Richtungen gab es keine Möglichkeit, mit dem Auto die Schienen zu überqueren – der Graben war zu schmal und der Wall zu steil.
    Schließlich kletterten wir zwischen den Waggons hindurch auf die andere Seite. Wir befanden uns auf einer kleinen Hochebene, die im Süden und Westen von Hügelketten begrenzt wurde.
    Hundert Meter entfernt verlief eine Mauer. Dahinter stand, grau wie ein Grabmal, der Tower eines Flugplatzes.

30.
    Emma kauerte noch auf der Kupplung zwischen den Waggons, als sie einen Blick über die Schulter warf. »Wir sollten besser verschwinden.«
    Tyler und ich drängten uns neben sie. Über der Orangenplantage stand eine Säule aus Staub. Seine Lippen formten stumm Havens Namen.
    Ich kletterte an Emma vorbei, rannte zum Wagen, hechtete auf den Fahrersitz und ließ den Gurt einrasten. Mit durchdrehenden Reifen setzte ich ein Stück zurück, gab Gas und raste auf das Bahnwärterhäuschen zu. Im letzten Moment riss ich einen Arm vor die Augen, als ich den Kühler des Geländewagens in die Front krachen ließ. Glas und Stein splitterten, der Motor jaulte auf und ich wurde nach vorn in den Sicherheitsgurt gerissen, während mir der Airbag ins Gesicht knallte.
    » Rain! «
    Emma zog mit beiden Händen die Fahrertür auf, beugte sich über mich und löste den Gurt. Dann war auch Tyler heran. Gemeinsam zogen sie mich heraus.
    »Verdammt, was –«, begann er, aber Emma fuhr ihm über den Mund: »Klappe halten!«
    »Wir hätten den Wagen noch –«
    »Nein«, hörte ich Emma wie durch Wasser sagen. Mein Kopf tat weh und mir war höllisch schwindelig. »Sie hat genau das Richtige getan. Wir hätten es niemals rechtzeitig von hier weg geschafft.« Sie legten mich am Boden ab. »Wir müssen unseren Kram aus dem Wagen holen.«
    Ich rappelte mich hoch und sah, dass Tyler noch immer nicht verstand. Im Hintergrund kam die Staubwolke näher. Orangenbäume verdeckten unsere Sicht auf die Wagen.
    »Wir verstecken uns im Zug«, brachte ich heiser hervor. »Hätten wir den Wagen einfach stehengelassen, hätten sie am warmen Motor gemerkt, dass gerade noch jemand hier war. So aber müssten sie ihn erst aus der Ruine ziehen, und die Mühe werden sie sich kaum machen. Jedenfalls nicht, solange sie keine Ahnung haben, dass wir da drin waren.«
    Schwankend kam ich auf die Füße, während Emma Orangen und die drei Infrarotmasken in den Rucksack stopfte. Tyler fing mich auf, als ich wieder in die Knie brach.
    »Gut gemacht«, sagte er anerkennend und stützte mich auf dem Weg zu den Waggons. Emma folgte uns, Rucksack und Arme voller Früchte. Wir mussten auf die andere Seite, erst einmal aus dem Blickfeld der näher kommenden Söldner. Ich hoffte nur, dass sich der Staub der Kollision schnell genug setzte.
    Wir

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