Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
schafften es gerade noch über die Kupplung zwischen den Waggons, als der Motorenlärm des Konvois erklang. Jeden Moment würden die Fahrzeuge zwischen den Orangenbäumen auftauchen. So schnell wir konnten, liefen wir Richtung Zugende.
    Tyler rüttelte vergeblich an den Riegeln der Schiebetüren. Erst am letzten Waggon hatten wir Glück. Die Tür ließ sich zur Seite schieben, Tyler winkte uns hinein. Emma warf die Orangen ins Innere und kletterte hinterher. Bevor ich ihr folgte, bückte ich mich und sah zwischen den Rädern hindurch zur anderen Seite. Der Konvoi erreichte gerade den Übergang und hielt an.
    »Schnell!«, sagte Tyler.
    Noch immer ein wenig benommen zog ich mich hinauf. Emma ergriff meinen rechten Arm und half mir. Tyler folgte als Letzter und schob die Tür bis auf einen schmalen Spalt hinter sich zu. Um uns waren Holzkisten gestapelt und mit Gurten und Ketten fixiert, beschriftet mit Zahlen und Abkürzungen.
    »Mach die Tür lieber ganz zu«, sagte Emma und kramte weitere Früchte aus ihrem Rucksack. Sie hockte inmitten eines Dutzends Orangen, zog zuletzt die drei Nachtsichtbrillen hervor und reichte jedem von uns eine.
    Tyler zog seine über und stieß die Tür zu. Sie rastete hörbar ein.
    Ich half Emma dabei, die Orangen aufzulesen und so viele wie möglich in ihren Rucksack zu stecken, dann zogen wir uns tiefer in den Waggon zurück. Hinter der letzten Kistenreihe gingen wir in Deckung und horchten.
    Ich hatte gehofft, dass Haven beim ersten Blick auf die Unfallstelle Befehl geben würde, einen anderen Weg zu nehmen. Doch nun erstarben draußen nacheinander die Motoren der Fahrzeuge. Türen wurden zugeschlagen. Mehrere Männer riefen durcheinander, aber die Worte waren nicht zu verstehen.
    Jetzt ertönte auch das Knattern der Hubschrauber. Die Piloten waren die Einzigen, die unseren Wagen wiedererkennen konnten. Aber selbst wenn sie eine Verbindung zogen zwischen dem SUV neben der Autobahn und dem Wrack an den Schienen, ahnten sie noch immer nicht, wer darin gesessen hatte.
    »Warum fahren die nicht weiter?«, flüsterte Tyler.
    »Die können unmöglich nach uns suchen«, sagte Emma.
    Ein Quietschen ertönte, kurz darauf ein Krachen.
    »War das –«
    »Eine Waggontür«, sagte ich. »Sie durchsuchen den Zug.«
    »Glaube ich nicht«, erwiderte Emma leise. »Sie sehen nur nach, was die Waggons geladen haben.«
    »Ganz egal«, sagte Tyler, »sie werden gleich hier auftauchen.« Er zog seine Pistole, suchte einen Moment zu lange nach dem Sicherungshebel und löste ihn.
    Das Geräusch der entriegelten Türen kam näher.
    Vergeblich tastete ich nach meiner Waffe. Sie musste noch im Fach der Beifahrertür stecken.
    »Suchst du die hier?« Emma zog die Pistole zwischen den Orangen in ihrem Rucksack hervor und reichte sie mir. Sie musste sie zusammen mit den Früchten eingesteckt haben.
    »Du bist ein Schatz!«
    Dann hielt sie plötzlich die dritte Waffe in der Hand und meine Begeisterung war dahin.
    »Hey«, flüsterte ich. »Du wirst auf niemanden –«
    »Still!«, zischte Tyler.
    Draußen fluchte jemand und rüttelte an Metall. Sie mussten jetzt die vorletzte Tür erreicht haben. Der nächste Wagen war unserer. Wir waren etwa vier Meter vom Eingang entfernt, eingepfercht zwischen zwei Kistenreihen.
    Draußen riss jemand am Eisenhebel.
    Ich schob mir die Maske hoch auf die Stirn. Im nächsten Moment fiel Tageslicht in den Waggon und umrahmte die vorderen Kisten. Ein Umriss erschien im Spalt der Schiebetür.
    »Dasselbe Zeug wie drüben«, sagte ein Mann auf Englisch. »Aber hier haben die Gurte gehalten.«
    Ein bulliger Lionheart-Söldner in Kampfmontur kletterte herein. Er trug ein Schnellfeuergewehr.
    Keiner von uns atmete.
    Der zweite Mann, der noch draußen stand, sagte: »Hodge gibt Handzeichen. Der Colonel will weiterfahren.«
    »Nach irgendwas riecht’s hier drinnen«, sagte der Söldner und machte einen weiteren Schritt.
    Neben mir umfasste Tyler seine Waffe mit beiden Händen und legte an. Emma tat sofort das Gleiche. Jemand hatte gründlich bei ihrer Erziehung versagt.
    »Komm schon!«, sagte der Mann im Freien.
    »Orangen.«
    »Was?«
    »Es riecht nach Orangen.«
    Emma brach der Schweiß aus.
    Ich versuchte mich vor sie zu schieben, ohne dabei einen Laut zu verursachen. In der Enge war das kaum möglich.
    »Das ist die Plantage«, sagte der Söldner im Freien.
    Der Mann machte noch einen Schritt in den Wagen.
    »Bei der Wärme«, sagte der Mann draußen, »zieht der Geruch übers ganze

Weitere Kostenlose Bücher