Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
Martinshörner klang nun lauter, näher.
Anna drückte sanft den Arm der jungen Frau. „Hören Sie? Die Feuerwehr ist schon ganz nah. Sie werden Ihre Tochter finden und retten. Ganz bestimmt.“
Paulas Mutter blickte zu dem Fenster, hinter dem das Feuer deutlich zu sehen war. „Das dort ist das Zimmer meiner Tochter.“
„Geben Sie die Hoffnung nicht auf, Frau …“
„Martina Niklaus.“
Aus dem Haus stolperte nun Manfred Niklaus, ebenfalls im Pyjama, ohne das Kind, jedoch mit einem dicken Schlüsselbund in der Hand. Er wirkte völlig panisch und konfus.
Seine Frau stieß einen Schrei aus. „Wo ist Paula?“
Ihr Mann reagierte nicht, rannte stattdessen zur Garage, die rechts vom Haus lag. Mit fahrigen Fingern suchte er nach einem bestimmten Schlüssel, wobei er drei Mal das Bund fallen ließ, ehe er endlich erfolgreich war.
„Manfred, was tust du denn da?“, schrie Martina Niklaus, doch auch jetzt wandte ihr Mann sich nicht einmal nach ihr um.
Anna blickte nach links die Straße entlang und da sah sie die Rettungsfahrzeuge um die Ecke biegen. Ihre blauen Lichter erhellten die Dunkelheit. Nur die Martinshörner hatten sie abgestellt.
In den Häusern ringsum wurden nun die Lichter eingeschaltet, Rollläden in die Höhe gezogen, Fenster geöffnet und wieder geschlossen.
Kurz darauf kamen die Anwohner nach draußen. Im Laufen zogen sie noch die Jacken an, knöpften sie zu oder zogen die Reißverschlüsse in die Höhe. Vor Annas Haus fanden sie sich ein, um von dort aus zu gaffen.
Die Feuerwehrfahrzeuge hielten auf der Straße. Männer und Frauen in Schutzkleidung quollen heraus, stülpten sich die Helme auf die Köpfe. Befehle wurden gebrüllt, Schläuche ausgerollt.
Ein Feuerwehrmann eilte auf die Umstehenden zu. Er wandte sich an Martina, die in ihrem Pyjama und den Plüschhausschuhen hervorstach. Deshalb wandte er sich an sie. „Ist Ihre Familie in Sicherheit?“
Anna sah, dass Paulas Vater einen Gartenschlauch aus der Garage heranschleppte und versuchte, diesen an dem Wasserhahn außen am Haus anzuschließen.
„Unsere Tochter Paula ist noch da drinnen. Bitte, holen Sie sie da raus!“, flehte Martina.
Fauchend brach das Feuer durch die Wand aus Lehm und Stroh. Die Fensterscheibe platzte, Glassplitter regneten herab. Die Umstehenden schrien auf, Manfred Niklaus duckte sich und hielt die Arme schützend über den Kopf.
Ein Feuerwehrmann lief zu ihm hin und redete auf den Mann ein. Im gleichen Moment kam ein Rettungswagen die Straße entlang, drehte in der Einfahrt von Annas Nachbarn und fuhr rückwärts an den Straßenrand. Zwei Sanitäter sprangen heraus und öffneten die hinteren Türen.
Inzwischen war es dem Feuerwehrmann gelungen, Manfred Niklaus den Schlauch aus den Händen zu nehmen. Er führte den hustenden Mann zum Rettungswagen, wo die Sanitäter sich um ihn kümmerten.
Anna schob Martina Niklaus ebenfalls dorthin. Sofort legte einer der Männer den beiden Frauen wärmende Decken um die Schultern.
„Wasser marsch!“, kam das Kommando des Brandmeisters.
Ein dicker Wasserstrahl schoss aus dem Schlauch und traf das Fenster, hinter dem das Feuer tobte.
Drei Männer, ausgestattet mit Atemschutzgeräten, drangen durch die Eingangstür in das Haus ein. Dorthin richteten sich alle Blicke.
Anna Michalski bemerkte mit einem Mal aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Als sie den Kopf ein wenig drehte, sah sie einen weißhaarigen Feuerwehrmann, der über den schneebedeckten Rasen neben dem Haus zur Straße schritt, ein kleines Mädchen an der Hand haltend.
Anna hielt den Atem an. Ihre rechte Hand legte sich in einer unbewussten Geste auf ihr Herz, während sie den Blick auf den Mann richtete.
Auch Martina Niklaus sah ihn. „Paula“, flüsterte sie. „Er hat Paula an der Hand!“
Die Decke fiel zu Boden, als sie Anna das Baby in den Arm drückte. So schnell sie konnte rannte sie über die Straße. Anna wäre ihr gern gefolgt, doch ihre Füße schienen am Boden festzukleben.
Neben einem Lorbeerstrauch trafen der Feuerwehrmann und Martina aufeinander und letzte konnte glücklich ihre Tochter in die Arme schließen.
„Frohe Weihnachten“, wünschte der Feuerwehrmann.
Martina antwortete nicht. Mit Paula auf dem Arm machte sie sich auf den Weg zum Rettungswagen.
Anna Michalski schaute kurz zu den Feuerwehrleuten und Zuschauern hinüber. Bemerkte denn niemand, was sich hier abspielte? Doch sie alle schienen entweder zu beschäftigt oder viel zu gefesselt von den Dingen zu sein, die sich
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