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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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unverdientes Glück erscheinen. Und ihr neuer Liebhaber, eigentlich ein sehr netter Mann, sagte einige Zeit später zu mir, sie habe ihm viel von mir erzählt, er freue sich, meine Bekanntschaft zu machen, sie sei eine erstaunliche Frau mit absolut idealem Charakter – und das sei doch, bemerkte er, so selten in unserem nervösen Jahrhundert.
    Allmählich gewann ich den Eindruck, meine Rolle bestehe überhaupt darin, dass ich nach einer Katastrophe auftauche und alle, mit denen mir seelische Nähe beschieden ist, davor unweigerlich Opfer eines Unglücks geworden sind. In einigen Fällen nahm das einen eher tragischen Charakter an, in anderen einen weniger tragischen, aber immer war es schwierig und zudem noch dadurch kompliziert, dass ich aufgrund einer schädlichen alten Gewohnheit, der ich mich nicht entziehen konnte, jedesmal ausgiebig und unablässig alles durchdachte und die Dinge nicht nahm, wie sie waren, sondern um sie herum ein ganzes System eigener und überflüssiger Vermutungen errichtete, wie es sein könnte, wenn es anders wäre. Immer suchte ich nach den Gründen, welche diese oder jene Katastrophe hervorgerufen hatten – und jetzt dachte ich an meinen Londoner Vorgänger, an diesen Menschen mit dem so unverständlichen Hang zu allem, was die Idee des Todes in sich trug. Wie war die Entstehung eines solchen Seelenleidens zu erklären? Ich hatte überhaupt keine Anhaltspunkte, um darüber zu urteilen. Dieses Problem interessierte mich, neben allem anderen, aber auch rein theoretisch, wie mich jedes beliebige psychologische Problem hätte interessieren können. Seinem Alter nach zu schließen – Jelena Nikolajewna hatte erwähnt, er sei rund zehn Jahre älter als ich –, war er wahrscheinlich im Krieg gewesen, und vielleicht hatte ihn das beeinflusst? Ich wusste aus eigener Erfahrung und vom Beispiel vieler meiner Kameraden, was für eine unumkehrbar zerstörerische Wirkung es fast auf jeden Menschen hat, wenn er im Krieg gewesen ist. Ich wusste, dass die ständige Todesnähe, der Anblick von Gefallenen, Verwundeten, Sterbenden, Erhängten und Erschossenen, die riesige rote Flamme, die in der Eisluft einer Winternacht über angezündeten Dörfern steht, der Leichnam des eigenen Pferdes wie auch die akustischen Eindrücke, Sturmgeläute, Granateinschläge, das Pfeifen der Kugeln, verzweifelte Schreie, unbekannt von wem – all das geht niemals vorbei, ohne sich zu rächen. Ich wusste, dass eine wortlose, fast bewusstlose Erinnerung an den Krieg die meisten Menschen verfolgt, die ihn durchlebt haben, und in allen ist etwas zerbrochen für immer. Ich wusste von mir selbst, dass die normalen menschlichen Vorstellungen vom Wert des Lebens und von der Notwendigkeit der grundlegenden Moralgesetze – nicht töten, nicht rauben, nicht vergewaltigen, Mitleid haben –, dass sie sich nach dem Krieg zwar langsam in mir wiederhergestellt, ihre frühere Überzeugungskraft jedoch verloren hatten und nur noch ein theoretisches Moralsystem waren, mit dessen relativer Gültigkeit und Notwendigkeit ich prinzipiell einverstanden zu sein hatte. Die Gefühle, die ich dabei hätte haben müssen, die diese Gesetze erst hatten entstehen lassen, waren ausgebrannt durch den Krieg, es gab sie nicht mehr, und nichts hatte sie ersetzt.
    Es war ausgeschlossen, dass er nichts von alledem wusste, was ich wusste. Andererseits hatten Hunderttausende von Menschen das ebenfalls durchlebt und waren nicht wahnsinnig geworden. Nein, naheliegender war wohl die Vermutung, dass sich in seinem Leben besondere Ereignisse zugetragen hatten, von denen nicht einmal Jelena Nikolajewna etwas wusste und die seinen jetzigen Zustand verursacht hatten. Was bedeutete zum Beispiel dieser Satz: Elle m’a raté? Jedenfalls war in Jelena Nikolajewnas Augen der unbeweglich und unnatürlich ruhige Ausdruck für lange Zeit erstarrt wie ein vergessenes Spiegelbild – und das hatte nun schon unmittelbar mit mir zu tun, weniger als alles Übrige, denn alles Übrige hatte leider ebenfalls mit mir zu tun. Ich empfand manchmal, besonders in dieser Nacht auf dem Heimweg, eine ungewöhnliche Gereiztheit, da es mir unmöglich war, mich jener Welt von Dingen, Gedanken und Erinnerungen zu entziehen, deren ungeordnete und wortlose Bewegung mein ganzes Leben begleitete. Manchmal war ich drauf und dran, mein Gedächtnis zu verfluchen, denn es bewahrte mir vieles, ohne das mein Leben leichter gewesen wäre. Aber das zu ändern war unmöglich, und nur in seltenen

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