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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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zurückliegen wie dieser, sind auf Mikrofilm gespeichert. Die Ablichtungen befinden sich in diesem Ordner, die Originaltexte existieren nicht mehr, aber die Fotos – sie werden im Archiv aufbewahrt.«
    »Befindet sich dieses Archiv in Ihrem Gebäude?«
    »Nein, in einem Lagerhaus. Im selben, in dem das Bureau of Forensic Science sein altes Fallmaterial hortet.«
    »Vander hat das Foto von Waddells Daumenabdruck aus Robyn Naismiths Haus noch immer nicht bekommen?«
    »Nein.« Unsere Blicke trafen sich: Wir waren beide überzeugt, daß er es niemals bekommen würde.
    »Wer hat die Naismith-Fotos aus dem Archiv geholt?«
    »Mein Verwaltungsmann«, sagte ich. »Ben Stevens. Etwa eine Woche vor Waddells Hinrichtung.«
    »Und warum?«
    »In der Endphase ergeben sich immer viele Fragen, und ich wollte das Fallmaterial griffbereit haben. So ein Gang zum Archiv ist eine Routinesache. Eines war diesmal allerdings anders als sonst. Ich mußte Stevens nicht bitten, die Unterlagen zu holen – er kam von sich aus auf mich zu.«
    »Und das war ungewöhnlich?«
    »Ja. Es fiel mir seinerzeit nicht auf, aber rückblickend finde ich es seltsam.«
    »Vermuten Sie, daß Ihr Verwaltungsmann sich erbot, zum Archiv zu gehen, weil er dort etwas erledigen wollte – vielleicht, weil er den blutigen Daumenabdruck von Waddell verschwinden lassen wollte?«
    »Das wäre möglich. Jedenfalls konnte er es sich nicht erlauben, ohne offiziellen Auftrag im Archiv aufzukreuzen, denn wenn ich das erfahren hätte, wäre ich zwangsläufig mißtrauisch geworden.« Ich erzählte Wesley von dem Einbruch in meine Computerdateien und daß die daran beteiligten Terminals die von Susan und Stevens waren.
    Wesley machte sich Notizen, während ich sprach. Als ich geendet hatte, blickte er auf: »Wenigstens war diese geheimnisvolle Nachforschung erfolglos.«
    »Offenbar.«
    »Das bringt uns auf die naheliegende Frage: Worauf bezog sie sich?«
    Ich ließ den Cognac in meinem Schwenker kreisen. Im Kerzenlicht schimmerte die Flüssigkeit in einem warmen Honigton. »Vielleicht auf etwas, das mit Eddie Heaths Tod zusammenhing. Ich hatte seinetwegen eine Datei mit Fällen in meinem Verzeichnis, bei denen die Opfer Bißwunden oder andere Verletzungen hatten, die auf Kannibalismus hindeu t eten. Ich kann mir nicht vorstellen, was sonst interessan t gewesen sein sollte.«
    »Speichern Sie innerbetriebliche Mitteilungen in Ihrem Verzeichnis?«
    »In einem untergeordneten.«
    »Und Zugang erhält man über das gleiche Paßwort?«
    »Ja.«
    »Und Sie speichern dort Autopsieberichte und anderes Fallmaterial?«
    »Richtig. Aber als in meine Dateien eingebrochen wurde, waren keine brisanten Unterlagen dort gespeichert – jedenfalls keine, die ich als brisant betrachte.«
    »Aber wer immer einbrach, vermutete das offensichtlich.«
    Ich nickte.
    »Was ist mit Ronnie Waddells Autopsiebericht? War der zu dieser Zeit eingespeichert?«
    »Natürlich. Waddell wurde am Montag, dem 13. Dezember, hingerichtet. Der Einbruch fand am Nachmittag des 16. Dezember statt, an dem Donnerstag, als ich Eddie Heath auf dem Tisch hatte und Susan sich oben in meinem Büro von einem kleinen Unfall erholte: Sie hatte zwei Behälter mit Formalin zerbrochen und die Dämpfe eingeatmet.«
    Er runzelte die Stirn. »Angenommen, der Einbruch ging auf Susans Konto – weshalb sollte sie sich für Waddells Autopsiebericht interessieren? Sie war doch bei der Obduktion anwesend. Was hätte sie in dem Bericht finden können, das sie nicht schon wußte?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Lassen Sie es mich anders formulieren: Welche Fakten, die mit der Autopsie zusammenhingen, hat sie bei der Obduktion nicht erfahren?«
    »Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen«, antwortete ich. »Aber die waren zum Zeitpunkt des Einbruchs noch gar nicht vollständig da: Die toxikologischen Untersuchunge n und der HIV-Test nehmen beispielsweise Wochen in An s pruch.«
    »Und das wußte Susan.«
    »Selbstverständlich.«
    »Und Ihr Verwaltungsmann ebenfalls.«
    »So ist es.«
    »Es muß also um etwas anderes gegangen sein«, sagte Wesley.
    Mir fiel ein Detail ein – doch konnte ich mir nicht vorstellen, daß es für irgend jemanden wichtig sein könnte: »Waddell – oder wer immer der Hingerichtete war – hatte ein Kuvert in der Gesäßtasche seiner Jeans, das mit ihm hätte beerdigt werden sollen. Ich gab es Fielding, er sollte Kopien anfertigen und den Unterlagen beifügen. Susan wußte also in dieser Nacht nicht, was der

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