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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wölbte sich der Himmel über den schneebedeckten Bergen in der Ferne.
    »Es tut mir so leid«, sagte ich. »Es ist wie verhext: Jedesmal, wenn du zu Besuch kommst, passiert etwas, das mich daran hindert, mich dir richtig zu widmen.«
    »Das macht nichts.«
    »Eines Tages wirst du es verstehen.«
    »Ich verstehe es jetzt schon: Ich nehme meine Arbeit auch sehr ernst. Wahrscheinlich werde ich eines Tages genauso erfolgreich sein wie du.«
    Mein Herz lag wie ein Bleiklumpen in meiner Brust. Ich war froh, daß ich einen Grund hatte, die Sonnenbrille zu tragen: Ich wollte nicht, daß Lucy meine Augen sah.
    »Ich weiß, daß du mich gern hast, das genügt mir. Und ich weiß, daß meine Mutter mich nicht gern hat«, sagte Lucy.
    »Soweit Dorothy in der Lage ist zu lieben, liebt sie dich«, widersprach ich.
    »Das stimmt nicht: Sie liebt bloß Männer.«
    »Nein, Schätzchen, die Männer liebt sie nicht wirklich. Sie sucht nur verzweifelt jemanden, der die Leere in ihrem Inneren ausfüllt.«
    »Und gerät dabei immer an Arschlöscher!«
    »Sie hat dabei wirklich kein gutes Händchen«, bestätigte ichdie drastische Äußerung meiner Nichte.
    »Ich möchte niemals so leben wie sie. Ich hoffe nur, daß ich ihr nicht ähnlich bin.«
    »Bist du nicht.«
    »In der Broschüre, die du aus dem Reisebüro mitgebracht hast, steht, daß man dort, wo wir hinfahren, Tontauben schießen kann.«
    »Es gibt alle möglichen Beschäftigungsmöglichkeiten dort.«
    »Hast du einen Revolver mitgenommen?«
    »Die Tontauben werden nicht mit dem Revolver heruntergeholt, Lucy, und hör auf zu gähnen! Du steckst mich an.«
    »Hast du nun eine Waffe mitgenommen oder nicht?«
    »Warum interessiert dich das?«
    »Weil ich üben will. Ich will so gut schießen lernen, daß ich die Zwölf an deiner Uhr auf Anhieb treffe«, antwortete sie schläfrig. Sie rollte ihre Jacke als Kopfunterlage zusammen und kuschelte sich in ihren Sitz. Plötzlich sah sie wieder aus wie als kleines Mädchen.
    Das Homestead-Hotel lag in einem zwanzigtausend Hektar großen Gebiet mit Wäldern und Bächen in den Allegheny Mountains. Um das Hauptgebäude aus rotem Backstein lief eine Kolonnade mit weißen Säulen. An den vier Seiten der weißen Dachkuppel waren große Uhren installiert, die genau gingen und selbst aus weiter Entfernung abgelesen werden konnten. Die Tennisplätze und der Golfrasen waren unter einer Schneedecke verschwunden. »Du hast Glück«, sagte ich zu Lucy, während sich der Portier um Gepäck und Wagen kümmerte. »Die Pistenverhältnisse müssen optimal sein.«
    Benton Wesley hatte das Wunder vollbracht, ein Zimmer mit Südbalkon für uns zu organisieren. Auf dem Couchtisch emp fing uns ein Blumengruß von Connie und ihm. »Kommen Siezum Übungshang!« stand auf der Karte. »Wir haben für halb vier eine Unterrichtsstunde für Lucy vereinbart.«
    »Wir müssen uns beeilen.« Ich öffnete meinen Koffer. »Du hast nur noch vierzig Minuten bis zum Start in deine Wintersportkarriere.«
    Meine Nichte machte ihre Reisetasche auf und breitete den Inhalt auf ihrem Bett aus. »Ich habe keine Skibrille«, monierte sie und zog sich einen hellblauen Pulli über den Kopf. »Ich werde schneeblind zurückkommen.«
    »Du kannst meine Sonnenbrille nehmen«, bot ich ihr an.
    »Das Licht ist sowieso nicht mehr lange so grell.«
    Wir nahmen den Zubringer zum Übungsgelände, mieteten die Ausrüstung für Lucy und gingen zum Schlepplift. Eine Minute vor halb vier waren wir an Ort und Stelle. Ein hübscher junger Mann, den ein Aufnäher als Skilehrer auswies, verabschiedete sich gerade von einer Schülerin und kam dann auf uns zu: Offenbar hatte Wesley zumindest mich anschaulich beschrieben. Lucy und ihr Skilehrer zogen ab.
    Ich richtete meine Skier quer zum Berg aus, beugte mich in den Stiefeln nach vorne, stützte mich auf die Stöcke und schaute den Hang hinauf. Die Skifahrer wirkten auf der weißen Fläche wie bewegliche Farbtupfer, erst wenn sie näher kamen, erkannte man sie als menschliche Wesen. Mein Blick blieb an einem Paar hängen, das mit eleganten Schwüngen synchron den Berg herunterwedelte. Die Stöcke berührten kaum den Schnee. Ich erkannte Wesleys silbergraue Mähne und winkte den beiden zu. Wesley sagte etwas zu seiner Frau und raste dann, die Skier so eng beieinander, daß keine Zeitung dazwis chengepaßt hätte, im Schuß auf mich zu.
    Als er in einer Wolke aufstiebenden Schnees zum Stehen kam und seine Brille hochschob, wurde mir bewußt, daß ich ihn zum

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