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Pharmakon

Pharmakon

Titel: Pharmakon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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den Büros der Geschäftsführung zögerte, fragte sich Adam, wie die Beziehung zu seinem Vater wohl sein würde, wenn David nicht in Vietnam gestorben wäre. Nicht allzu viele Ärzte waren dort drüben umgekommen, aber David hatte es geschafft. Er war immer jemand gewesen, der sich für alles freiwillig melden würde. Es war im letzten Kriegsjahr gewesen; Adam war zu jener Zeit fünfzehn Jahre alt gewesen.
    Dieses Ereignis hatte die Familie verkrüppelt. Adams Mutter war in eine schreckliche Depression verfallen, die eine Schocktherapie-Behandlung erforderlich machte. Sie war immer noch nicht ihr altes Selbst. Adams Vater hatte die Nachricht nicht viel besser überstanden. Nach mehreren Monaten Schweigen in Zurückgezogenheit war Adam zu ihm gegangen und hatte ihm mitgeteilt, er habe sich gleichfalls entschieden, Arzt zu werden. Anstatt sich zu freuen, hatte sein Vater geweint und sich abgewandt.
    Adam hielt vor dem Büro seines Vaters inne, sammelte all seinen Mut und ging zu Mrs. Margaret Weintrobs Schreibtisch. Sie war eine riesige Frau, die ihren Drehstuhl völlig überdeckte. Ihr Kleid war eine zeltähnliche Angelegenheit, die aus einer blumenbedruckten Baumwolle hergestellt worden war. Ihre Oberarme hatten enorme Fettrollen, die ihre immer noch ansehnlichen Unterarme vergleichsweise schlank erscheinen ließen.
    Aber abgesehen von ihrem Gewicht war sie außergewöhnlich gut gepflegt. Sie lächelte, als sie Adam sah, und streckte ihm, ohne aufzustehen, eine Hand zum Gruß hin.
    Adam schüttelte die leicht feuchte Hand und erwiderte das Lächeln. Sie hatten sich immer gut verstanden. Sie war schon, solange Adam sich erinnern konnte, Sekretärin seines Vaters und sie war immer in bezug auf Adams Schüchternheit feinfühlig gewesen.
    »Wo sind Sie denn gewesen?« fragte sie und tat so, als sei sie mit ihm böse. »Es ist Menschengedenken her, daß Sie uns das letzte Mal besucht haben.«
    »Das Medizinstudium läßt einem nicht viel Zeit«, sagte Adam. Sein Vater hielt weniges vor Margaret geheim, aber Adam war sicher, sie wußte dennoch, weshalb er nicht mehr gekommen war.
    »Wie gewöhnlich telefoniert Ihr Vater gerade. Er wird in einer Minute frei sein. Kann ich Ihnen einen Kaffee oder Tee holen?«
    Adam schüttelte den Kopf und hing seinen Mantel an den Messing-Kleiderständer. Er setzte sich auf die Vinyl-Bank. Er erinnerte sich daran, daß sein Vater nicht gerne den Eindruck machte, die Regierung verschwende öffentliche Gelder für solche Kinkerlitzchen wie bequeme Sitzmöbel. Das ganze äußere Büro hatte ein funktionales Gepräge. Für Dr. Schonberg senior war das eine prinzipielle Frage. Aus dem gleichen Grund wies er das Auto und den Chauffeur zurück, der mit dieser Position zusammenkam.
    Adam saß auf dieser Bank und versuchte, seine Argumente zu ordnen; dennoch war er nicht sehr zuversichtlich. Als er früher an diesem Morgen angerufen hatte, um dieses Treffen zu vereinbaren, war sein Vater schroff gewesen, als ob er schon wisse, daß Adam ihn um Geld bitten würde.
    Er hörte ein Summen. Margaret lächelte. »Ihr Vater erwartet Sie.«
    Als Adam mit düsterer Miene aufstand, streckte sie eine Hand aus und legte sie auf seinen Unterarm.
    »Er leidet immer noch unter Davids Tod«, sagte sie. »Versuchen Sie zu verstehen. Er liebt Sie.«
    »David ist vor neun Jahren umgekommen«, sagte Adam.
    Margaret nickte und tätschelte Adams Arm. »Ich wollte nur, daß Sie wissen, was in seinem Kopf vor sich geht.«
    Adam öffnete die Tür und ging in das Büro seines Vaters. Es war ein großes quadratisches Zimmer mit hohen Fenstern, von denen aus man auf einen hübschen Innengarten blicken konnte. Die anderen Wände waren mit Bücherschränken bedeckt. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Eichenschreibtisch. Zwei recht große Büchereitische waren an jeder Seite des Schreibtisches rechtwinklig zugeordnet, so daß ein geräumiges Arbeitsgebiet in Form eines U entstand.
    Adam ähnelte seinem Vater genügend, daß Fremde ihre Verwandtschaft erraten konnten. Auch Dr. Schonberg hatte dichtes, lockiges Haar, wenn es auch an den Schläfen zu ergrauen begann. Der größte Unterschied zwischen den beiden Männern war ihre Größe; der Vater war mehr als zehn Zentimeter kleiner als sein Sohn.
    Als Adam hereinkam und die Tür hinter sich schloß, hatte Dr. Schonberg einen Kugelschreiber in der Hand. Vorsichtig schob er ihn in die dazugehörende Kappe.
    »Hallo«, sagte Adam. Er bemerkte, daß sein Vater älter geworden

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