Pharmakon
die ihm diese Information gegeben hatte, indem sie die Worte lautlos mit dem Mund formte.
Den Aufzug zu besteigen, war eine Kunst, besonders mit dem Koffer. Während er hochfuhr, sah er sich die Menschenmenge an. Obgleich einige wenige Frauen anwesend waren, bestand die Mehrheit der Leute doch aus Männern, und sie sahen nun wirklich wie Ärzte aus - wohlhabend und selbstzufrieden. Die meisten trugen Geschäftsanzüge, auch wenn ein paar Sporthemden und Hosen anhatten.
Auf der zweiten Etage des Terminals befand sich ein langer Check-in-Schalter, der in alphabetische Abteilungen gegliedert war. Adam stellte sich in die Reihe hinter ›N-Z‹.
Als er sich in dem Raum genauer umsah, bekam er plötzlich kalte Füße. Vielleicht sollte er wieder gehen. Niemand würde es bemerken. Er könnte ein Taxi zum Flughafen nehmen und nach Hause fliegen. Er begann, die Leute zwischen ihm und dem Check-in-Schalter zu zählen. In diesem Augenblick trafen Adams Augen auf die eines Mannes, der ein paar Schritte weiter in der Nachbarreihe stand. Adam sah schnell weg und klopfte nervös mit dem Fuß auf den Boden. Es gab keinen Grund, weshalb ihn jemand anstarren sollte. Allmählich gestattete Adam seinen Augen, zu der nächsten Schlange zurückzuwandern. Unglücklicherweise sah ihn der Mann immer noch direkt an. Als er sah, wie Adam aufblickte, lächelte er. Unsicher lächelte Adam zurück. Dann kam der Mann zu seinem Entsetzen zu ihm herüber.
»Mein Name ist Alan Jackson«, sagte er und zwang Adam, seinen Koffer abzustellen und ihm die Hand zu schütteln. Nervös stellte sich Adam als Stuart Smyth vor. Alan nickte bloß und lächelte wieder.
Er war zumindest zehn Jahre älter als Adam und hatte breite Schultern und eine schmale Hüfte. Sein sandfarbenes Haar war vorwärts gekämmt, wahrscheinlich um eine kahle Stelle zu verdecken.
»Sie kommen mir schrecklich bekannt vor«, sagte Alan. »Sind Sie aus New York?«
Adam spürte, wie er blaß wurde. Er hatte sich noch nicht einmal angemeldet, und schon hatte er Schwierigkeiten.
In diesem Augenblick hörte man eine Stimme aus dem Lautsprecher: »Guten Tag, meine Damen und Herren. Für diejenigen von Ihnen mit Bordkarten wird die Fjord in wenigen Minuten bereit sein. Wenn Sie Ihre Bordkarte noch nicht bekommen haben, empfehlen wir, daß Sie sofort zum Check-in-Schalter gehen.«
»Sind Sie nicht in der Orthopädie?« fragte Alan, sobald der Lautsprecher wieder still war.
»Nein«, sagte Adam erleichtert. Offensichtlich kannte der Mann den wirklichen Smyth nicht. »Ich bin in Geburtshilfe/Gynäkologie tätig. Und was machen Sie?«
»Orthopädie. Ich bin an der Universität von Kalifornien, San Diego. Ist das Ihre erste Arolen-Kreuzfahrt?«
»Nein«, sagte Adam schnell. »Und wie steht es mit Ihnen?«
»Meine zweite«, sagte Alan, indem er sich plötzlich umwandte. »Mein Gott, da ist Ned Janson. Hallo, du alter Schweinekerl. Komm her!«
Adam sah, wie der stämmige, dunkelhaarige Mann, der mit einer der wenigen Frauen in der Menschenmenge zusammen stand, hochblickte. Als er Alan sah, leuchtete sein Gesicht in einem Lächeln auf. Er nahm den Arm der Frau und kam auf sie zu.
Während Alan und Ned eine Begrüßung mit viel Schulterklopfen hinter sich brachten, stellte sich Adam der Frau vor. Ihr Name war Clair Osborn. Sie war eine hübsche Frau, ungefähr dreißig Jahre alt, mit einem runden, gesunden Gesicht und langen, muskulösen Beinen. Sie war in einen kurzen schwarzweißen Rock gekleidet. Adam unterhielt sich gut, bis sie ihm mitteilte, sie sei Gynäkologin.
»Und was ist Ihr Spezialgebiet?« fragte Clair. »Orthopädie oder Geburtshilfe/Gynäkologie?«
»Warum beschränken Sie die Wahl auf diese beiden?« witzelte Adam, indem er versuchte, das Thema zu wechseln.
»Das ist meine brillante Intuition«, entgegnete Clair, »plus die Tatsache, daß die Kreuzfahrt ausschließlich für Orthopäden und Geburtshelfer stattfindet.«
Adam lachte nervös. »Nun, ich bin Geburtshelfer.«
»Wirklich?« sagte Clair voller Entzücken. »Dann gehen wir ja zu den gleichen Veranstaltungen.«
»Das ist schön«, sagte Adam. »Ist das Ihre erste Kreuzfahrt?« Adam wollte über alles andere als Geburtshilfe oder Gynäkologie reden. Er schmeichelte sich nicht zu glauben, er könne in einer fachlichen Diskussion seinen Mann stehen.
»Aber sicher«, sagte Clair. »Und es ist auch Neds erstes Mal. Nicht, Ned?« Clair zupfte an Neds Ärmel, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Da er
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