Philadelphia Blues
ihm zeigst.“
„Wie denn?“, fragte Colin frustriert, weil er keine Ahnung hatte, was David damit meinte. Er konnte sich schlecht zu Kilian ins Bett legen und den festhalten, wie er es mit Devin damals nach dessen Unfall getan hatte, als der seelisch ein totales Wrack gewesen war und niemanden an sich herangelassen hatte. Erst Dominic war es am Ende gelungen, zu seinem Bruder durchzudringen.
„Du weißt es wirklich nicht, oder?“
„Würde ich sonst fragen?“
Adrian verdrehte seufzend die Augen zur Decke, grinste dabei aber und deutete dann auf sich und David. „Was mache ich gerade?“
Colin runzelte die Stirn. „Mir seltsame Fragen stellen?“
Adrian lachte und stubste David an. „Erklär' du es ihm.“
David nickte schmunzelnd. „Adrian hat einen Arm um mich gelegt.“
„Ja? Und?“ Colin verstand nur Bahnhof.
„Himmel, du bist ja schlimmer als Dan“, meinte David grinsend und stand auf, um sich neben ihn zu setzen, worauf sich Colin sofort verspannte. David nickte. „Das dachte ich mir schon. Und es macht das Ganze nicht leichter.“
Was sollte das denn jetzt bitteschön wieder heißen? Colin platzte der Kragen. „Was wollt ihr eigentlich von mir?“
David beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab, um ihn danach von der Seite her eindringlich anzusehen. „Du umarmst ihn nicht, berührst ihn kaum und lächelst ihn selten an. Du behandelst deinen eigenen Neffen genau so, wie du mich und Adrian behandelst. Bei uns beiden verstehe ich das, wir kennen uns schließlich kaum, und ich würde auch nicht einfach einen Menschen umarmen, den ich nicht kenne, aber Kilian ist dein Neffe. Ein Teil deiner Familie. Deine Freunde umarmst du doch mit Sicherheit auch ab und zu, oder? Wie oft hast du Kilian schon umarmt, seit er bei dir ist? Abgesehen von vorhin, wo er fast überfahren worden wäre.“
Colin kam sich vor, als hätten Davids Worte ihm die Scheuklappen vor den Augen weggenommen. Ihm blieb der Mund offenstehen, als er begriff, wie Recht der und Adrian hatten. Dabei hatte er das nicht mal mit Absicht gemacht. Es war ihm einfach nicht aufgefallen. Und Kilian hatte auch nicht gerade den Eindruck erweckt, dass er eine Umarmung oder ein Lächeln von ihm gewollt hatte. Zumindest bis vorhin. Da hatte erst ein Vollidiot von Autofahrer kommen müssen, um ihm klar zu machen, was für zwei fast noch Fremde wie Adrian und David von Anfang an offensichtlich gewesen waren.
„Ihr habt nicht zufällig einen Elternratgeber oder so etwas hier? So langsam glaube ich, ich mache alles verkehrt, was man verkehrt machen kann“, murmelte Colin und rieb sich die müden Augen.
„Das ist nicht wahr und das weißt du auch“, hielt David dagegen. „Du hast keine Erfahrung, das merkt man, aber da geht es dir nicht viel anders als uns mit Isabell. Willst du wissen, was hier in den ersten Tagen los war, nachdem wir sie zu uns geholt hatten?“
Colin sah erst David und dann Adrian fragend an. Dass beide eine Grimasse zogen, war mehr als deutlich. „So schlimm?“
„Schlimmer“, gab Adrian zu und grinste schief. „Sie kannte bisher nur das Krankenhaus und die Schwestern dort. Und dann war sie auf einmal bei uns. Fremde Stimmen, fremde Gerüche, andere Geräusche, ein anderer Rhythmus, Minero – zwischen Weihnachten und Neujahr haben wir, wenn es hochkommt, vielleicht zwölf Stunden geschlafen, weil Isabell nur geschrien hat.“
„Wir waren kurz davor, sie zurückzubringen, weil wir uns nicht zu helfen wussten“, erzählte David weiter, als Adrian gähnte. „Es tat so weh, sie ständig weinen zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein kleines Wesen wie sie mir so schnell ans Herz wachsen würde. Aber kurz nach Neujahr hörte sie plötzlich auf zu weinen und uns fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen.“ David lächelte. „Es braucht alles nur Zeit, Colin. Und so wie Isabell Zeit brauchte, sich an uns zu gewöhnen, braucht Kilian Zeit, sich an dich zu gewöhnen. Du kannst ihm dabei helfen, indem du ihm zeigst, dass er Willkommen ist. Denn im Augenblick habe ich noch das Gefühl, dass Kilian sich dessen nicht wirklich sicher ist.“
Es war einfacher gewesen, seine Affäre mit Mikael geheimzuhalten, soviel stand fest, dachte Colin, während er vor Kilians Zimmertür stand und überlegte, was er mit Davids und Adrians Worten anfangen sollte. In solchen Dingen war er nicht gerade gut. Um der Wahrheit zu geben, war er verdammt mies darin, sich Anderen zu öffnen, ganz egal, wie lange er
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