Philadelphia Blues
der erfolglosen Suche. Wo steckte Kilian nur? Langsam aber sicher verlor er die Nerven.
„Wie war das? Blaue Augen, gelocktes, braunes Haar, 1,70m groß?“, fragte Mikael auf einmal und Colin nickte, während er sich weiter suchend umsah.
„Und ein alter Armeerucksack mit...“
„...einem Haufen Löcher“, fuhr Mikael ihm ins Wort und hielt ihn am Arm fest. „Ich glaube, er starrt dich gerade entsetzt an.“
„Hm?“ Colin sah verdutzt zu Mikael, der stumm nach links deutete. Er schaute in die angedeutete Richtung und entdeckte Kilian, der ertappt den Kopf senkte, als sich ihre Blicke trafen. Colin fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen. „Gott sei Dank“, murmelte er und sah Mikael fragend an, als der den Griff um seinen Arm verstärkte, statt ihn loszulassen. „Was denn?“
„Tief durchatmen, nicht anschreien und keine Vorwürfe. Er hat nur noch dich, vergiss das nicht“, flüsterte Mikael so eindringlich, dass Colin nur nicken konnte.
Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, Kilian anzuschreien. Er war zu erleichtert darüber, dass sein Neffe gesund und munter war und vor allem nicht in einem Zug nach sonst wohin saß. Deshalb hörte Colin auch nur mit einem Ohr hin, als Mikael Gentry anrief, um dem zu erklären, dass er die Suchmeldung stoppen konnte, während sie auf Kilian zugingen. Im ersten Moment wollte Colin ihn einfach von der Bank in seine Arme ziehen, aber da er sich nicht sicher war, wie Kilian darauf reagieren würde, setzte er sich lieber neben seinen Neffen und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Wenigstens das gönnte er sich, immerhin hätte Kilian sonst was passieren können.
„Geht's dir gut?“
Kilian nickte nur und biss sich auf die Unterlippe. „Bist du sehr sauer?“
„Sauer?“ Colin verkniff sich ein hysterisches Lachen und seufzte stattdessen. „Sauer trifft es nicht wirklich, Kumpel. Hast du eine Vorstellung, was für eine Scheißangst ich um dich hatte? Dir hätte sonst was passieren können, Kilian.“
„Aber...“
„Kein 'aber'“, wies Colin seinen Neffen verärgert zurecht. „Wieso redest du nicht mit mir, statt einfach so abzuhauen? Das haben wir doch ausgemacht, oder etwa nicht?“
„Du hast mich angeschrien wegen der Party“, warf Kilian ihm vor und hob den Kopf, um ihn verunsichert anzusehen, was Colin erneut seufzen ließ, bevor er nickte.
„Natürlich habe ich dich angeschrien. Du bist fünfzehn und kommst von einer Geburtstagsparty eines Klassenkameraden mit einer Fahne nach Hause. Was erwartest du? Dass ich es ignoriere?“
„Es waren doch nur ein paar Bier“, murmelte Kilian verlegen und sah wieder zu Boden. „Und geschmeckt hat es auch nicht.“
Na wenigstens etwas, dachte Colin und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Kilian, dieser dämliche Spruch, von wegen, 'Es waren doch nur ein paar Bier', hat Devin für immer in den Rollstuhl gebracht, weil er besoffen gegen einen Baum gedonnert ist, schon vergessen?“
Kilian sah ihn an. „Ich fahre doch gar nicht Auto.“
Herrje, musste der Junge eigentlich alles wörtlich nehmen? Colin verdrehte innerlich die Augen. „Nächstes Jahr um diese Zeit wirst du es tun und ich lasse dich sicher nicht den Mustang fahren, wenn du trinkst, kapiert?“
Kilian starrte ihn mit vor Staunen geweiteten Augen an. „Ich darf wirklich den Mustang fahren?“ Colin schluckte und zuckte zusammen, als Mikael, der mittlerweile auch bei ihnen stand, ihm auffordernd gegen sein Schienbein trat, was Kilian, nachdem er zwischen ihnen umher gesehen hatte, zögerlich lächeln ließ. „Ich mache auch nur eine kleine Beule rein, versprochen.“
„Kleine Beule?“, echote Colin schrill und zog finster die Brauen zusammen, als Kilian und Mikael prompt loslachten. „Ich kann euch zwei gerade überhaupt nicht leiden, wisst ihr das? Ich meine, wir reden hier schließlich von einem 69er Mustang. In den wird keine Beule reingefahren, klar?“
„Klar“, wiederholte Kilian hörbar belustigt und sah ihn dann mit einem entschuldigen Blick an. „Es tut mir leid. Ich hatte Angst, du überlegst es dir anders, weil ich getrunken habe. Ich dachte... Na ja... Ich wollte gar nicht weit weg und...“ Kilian stieß hörbar die Luft aus. „Baltimore. Ich wollte zu Adrian und David, bis du dich beruhigt hast.“
Adrian und David. Das hätte er sich eigentlich denken können. Na wenigstens wäre Kilian bei den Beiden in Sicherheit gewesen. Colin verkniff sich ein frustriertes Stöhnen. Er würde in Zukunft besser auf seine Wortwahl
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