Philadelphia Blues
ihn verlassen hatte, war der Anruf von Adrian gekommen und einige Tage später hatten die offiziellen Papiere in der Post gelegen. Kilian gehörte nun zu ihm. Mikael dagegen hatte er verloren.
Colin horchte auf, als er unten die Tür klappen hörte. Kilian war von einem Kinoausflug mit Steven, Josey und ein paar anderen Kids aus der Schule zurück, und würde mit Sicherheit gleich in seinem Schlafzimmer auftauchen, um nach ihm zu sehen. Es dauerte ein paar Minuten, aber dann hörte er durch den Teppich gedämpfte Schritte im Flur, bevor die Tür aufging Kilian sich kurz darauf zu ihm aufs Bett setzte. Colin versuchte sich an einem Lächeln und scheiterte, weil Kilians trauriger Blick Bände sprach. Sein Neffe litt unter der Situation genauso wie er selbst. Colin vergrub sein Gesicht im Kopfkissen. Was hätte er auch sagen sollen?
„Willst du ihn nicht mal anrufen?“, fragte Kilian und strich ihm durch die Haare. „Ihr liebt euch doch... Colin? ...Ich hab' Angst um dich.“
Scheiße, dachte Colin und sah Kilian an. „Ich kriege mich wieder ein, versprochen.“
„Und wann?“
Gute Frage. Colin wusste es nicht. „Keine Ahnung.“
Kilian schien noch etwas dazu sagen zu wollen, tat es aber nicht, sondern erhob sich stattdessen. „Ich mache dir etwas zu essen und du wirst es essen, klar?“
„Du kannst nicht kochen“, war alles, was Colin dazu einfiel, so verblüfft war er von dem plötzlichem Themenwechsel, aber vor allem von Kilians energischem Tonfall.
„Habe ich was von kochen gesagt?“ Kilian sah ihn tadelnd an. „Ich rede von Sandwichs. Und wo wir schon dabei sind, geh' das nächste Mal duschen, wenn du von der Arbeit kommst, du stinkst nämlich.“
Kilian war aus seinem Schlafzimmer verschwunden, bevor Colin sich von seinem Schock erholt hatte. Hallo? War er hier der Erwachsene, oder was? Gut, er benahm sich im Moment nicht so, aber trotzdem. Colin runzelte die Stirn und schlug die Bettdecke zurück. Soweit kam es noch, dass er sich von einem fünfzehnjährigen Bengel sagen ließ, dass er stank. Ja, er hatte vorhin keine Lust gehabt unter die Dusche zu steigen, na und wenn schon? Es war sein Bett, seine dreckige Wäsche und überhaupt, ging Kilian das ja wohl gar nichts an.
Colin riss die Tür auf und hörte Kilian die Treppe runterlaufen. „Es geht dich einen Dreck an, wann ich dusche“, schrie er seinem Neffen hinterher. „Du bist ein Kind, also halt' dich da raus.“
„Ach so? Ich bin ein Kind? Was bist du denn dann? Ein Erwachsener bestimmt nicht, so wie du dich gerade aufführst.“
Wie bitte? Also das schlug ja wohl dem Fass den Boden aus. Colin schnappte entrüstet nach Luft. „Das nimmst du sofort zurück!“
„Träum' weiter“, konterte Kilian trotzig.
„Kilian!“
„Wenn du willst, dass ich dich wie einen Erwachsenen behandle, dann benimm' dich auch wie einer“, brüllte Kilian ihn daraufhin an und im nächsten Moment knallte die Küchentür zu.
Was zur Hölle...? Colin blinzelte verdattert und ballte die Hände zu Fäusten, als er sich das eben Gesagte noch mal durch den Kopf gehen ließ. Jetzt reichte es aber. Er rannte die Treppe runter, um Kilian in die Küche zu folgen und ihm die Leviten zu lesen. Er kam allerdings nicht dazu, auch nur ein Wort zu sagen, denn Kilian war nicht allein. Adrian und Devin warteten in der Küche auf ihn und beide war stinksauer. Da war Colin alles klar.
„Du hast sie angerufen“, warf er Kilian vor, der neben Adrian stand und ihn vorwurfsvoll ansah.
„Irgendwer musste es machen. Du warst ja damit beschäftigt, dich selbst zu bemitleiden.“
Volltreffer. Colin zuckte innerlich zusammen. „Kilian...“
„Was? Gefällt dir die Wahrheit nicht?“
Colins Geduldsfaden wurde immer dünner. „Du bist jetzt lieber still...“
„Sonst was?“, schrie Kilian ihn plötzlich an und ballte die Hände zu Fäusten. Allein Adrians Hand auf seiner Schulter schien seinen Neffen davon abzuhalten, sich auf ihn zu stürzen. „Prügeln wir uns sonst, wie du und Dominic es wegen Devin gemacht habt?“ Colin sah verärgert zu Devin, den das allerdings nicht kümmerte. „Ja, Devin hat mir davon erzählt“, wütete Kilian weiter, dem sein Blick nicht entgangen war. „Er hat mir alles über euren Unfall erzählt. Es war nicht deine Schuld, was damals passiert ist, aber dass Mikael weg ist, daran bist du Schuld. Seit vier Wochen heulst du ihm jetzt hinterher. Du schläfst kaum noch, isst nur das Nötigste und sobald du von der Arbeit kommst,
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