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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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es, war das erste Opfer von Dollfuß’ kleinem Krieg.) Die Kellner in ihren kurzen Jacken schlängelten sich zwischen den Tischen hindurch, Tabletts voller Bier hoch über den Köpfen balancierend. Dietrich hatte uns zwei Plätze an einem winzigen Tisch bei den Toiletten freigehalten. »Wo ist Sonja?«, schrie ich.
    »Sie hilft dabei, um den Karl-Marx-Hof herum Barrikaden zu errichten, zusammen mit ihren sozialdemokratischen Freunden, die langsam zu zweifeln beginnen, ob Stalin nun wirklich die größere Bedrohung als Hitler und Hitler schlimmer als Dollfuß ist. Hör zu, Litzi, unser Zellenführer hat uns befohlen, ein Maschinengewehrnest auf dem Dach der Universität am Ring einzurichten.« Dietrich sah Kim an. »Du kannst gerne mitmachen, Philby.«
    Mein Engländer zögerte nie. »Natürlich mache ich mit«, rief er. »D-D-Damit übertrumpfe ich meinen heiligen Vater: Meine erste Revolution, und ich bin erst zweiundzwanzig. Er hat die Türken erst mit dreißig aus Mesopotamien geworfen.«
    »Sergius ist auf dem Weg hierher, um uns den Schlüssel zu einem Kohlenkeller mit Gewehren und Munition zu bringen«, sagte Dietrich.
    »Gut. Weiß einer von euch, wie man mit einem Maschinengewehr umgeht?«
    Dietrich und ich vermieden es, uns anzusehen. »Das ist nicht schwer«, sagte Dietrich. »Einer von uns füttert den Munitionsgurt ins Gewehr, der Zweite zieht den Abzug, und der Dritte hält das Sackleinen um den Lauf nass, damit der kühl bleibt.«
    »Das hast du aus
Im Westen nichts Neues«
, sagte Kim. Er nahm eine Verdauungstablette aus einer kleinen Dose und steckte sie sich in dem Mund.
    »Das habe ich im Feldlager der Kommunisten gelernt. Da haben sie uns auch den Umgang mit Feuerwaffen beigebracht«, sagte Dietrich.
    Die Glühdrähte der elektrischen Beleuchtung über uns flackerten kurz auf, erloschen jedoch wieder, bevor sie ihre volle Leuchtkraft entfalten konnten. Die Gespräche im Café erstarben, als alle mit angehaltenem Atem zu den Lampen hinaufstarrten, um zu sehen, ob der Strom zurückkäme. Er kam. Kim zuckte mit den Schultern. »Den Munitionsgurt ins Gewehr füttern hört sich wie etwas an, das ich hinbekommen sollte«, sagte er in beiläufigem Ton.
    Ein dicker Wiener Herr am Tisch nebenan sagte daraufhin: »Das ist nicht der Moment, um Witze zu reißen, junger Mann.«
    Dietrich wurde plötzlich pathetisch. Er griff über den Tisch nach Kims Hand. »Ich betrachte dich als einen von uns, Philby«, verkündete er.
    Als Sergius endlich kam, waren wir bereits bei der dritten Tasse Kaffee. Er war völlig außer Atem, die Augen tränten ihm von der kalten Luft, und er zog einen Stuhl heran und versuchte, dem Kellner zu winken.
    »Hast du den Schlüssel?«, fragte Dietrich.
    »Welchen Schlüssel?«
    Sergius war anzusehen, dass er die Situation für komisch hielt. Oder er wollte seine Nervosität überspielen.
    »Den Schlüssel für den Kohlenkeller«, sagte ich.
    Ein Kellner kam vorbei. »Ein Bier«, sagte Sergius. Er grinste Dietrich an. »Wofür braucht ihr in Zeiten wie diesen Kohlen?«
    Dietrich lehnte sich über den Tisch. »Mach jetzt keine Witze. Wir sollen ein Maschinengewehr und Munition aus dem Keller holen, zu dem du den Schlüssel hast.«
    »Ich habe tatsächlich den Schlüssel zu einem Kohlenkeller bei mir«, sagte Sergius und nannte eine Adresse in einer Seitenstraße nicht weit vom Kaffeehaus. »Die schlechte Nachricht ist nur, dass es da wirklich nichts als Kohle gibt. Wir haben kein Maschinengewehr.«
    »Warum bist du denn dann hergekommen?«, fragte Dietrich.
    »Weil ich euch sagen soll, dass es kein Maschinengewehr gibt. Ihr könnt euch gerne selbst überzeugen. Die paar Gewehre und Pistolen, die da unten zusammen mit mehreren Kartons voll mit italienischen Feuerwerkskörpern versteckt waren, sind längst unter den Arbeitern verteilt worden.«
    »Wer hat dir befohlen, einen Maschinengewehrposten auf dem D-D-Dach einzurichten?«, fragte Kim Dietrich.
    »Unser Zellenführer.«
    »Ruf ihn an.«
    »Das kann ich nicht. Er steht auf der Fahndungsliste der Polizei und schläft keine zwei Nächte im selben Bett.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte ich Kim.
    Er sah von Sergius zu Dietrich und mir. »Wir gehen ins Epizentrums des Bebens.«
    »Zu den Wohnblöcken?«
    Mein Engländer nickte.
    Draußen rumpelten Lastwagen über das Pflaster. Kim und ich liefen zur Tür des Kaffeehauses. Ein halbes Dutzend Pritschenwagen voller Stacheldrahtrollen fuhr am Herrenhof vorbei, und ihre Scheinwerfer

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