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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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an? Einen Menschen zu erschießen?«
    »Ein ganzes Stück besser, als erschossen zu werden.«
    Philby trank seinen amerikanischen Kaffee aus, der längst kalt sein musste, was ihn aber nicht zu stören schien. Er griff nach meiner
Newsweek
-Ausgabe. »Die ist für mich, nehme ich an.«
    »Sie finden darin ein neues Codeblatt und das Geld, das ich aus den Idioten im fünften Stock herauspressen konnte. Schicken Sie Ihre Ansichtskarten auch weiter an Mademoiselle Dupont in der Rue de Grenelle 79.«
    Philby deutete mit dem Kinn auf eine schmale Pappschachtel, die auf dem Stuhl neben mir lag. Sie war mit einem rosafarbenen Band verschlossen. »Ist das auch für mich?«
    »Nein, nein. Das ist ein Kleid für meine Frau. Captain Molyneux, der britische Modeschöpfer, hat hier in Biarritz ein Geschäft. Wollen Sie was Komisches hören? In seinem Laden habe ich einen der Kunden erkannt. Es war Théodore Alexandrowitsch, der Großfürst, der nach der Machtübernahme durch die Bolschewiken aus Petrograd geflohen ist und den es in eine prunkvolle Villa am Meer verschlagen hat, nicht weit von Biarritz entfernt. Die üppige junge Schöne, für die der Großfürst das Kleid kaufte, war jedoch eindeutig
nicht
seine Frau.«
    Ich erzählte dem Engländer nicht, woher ich das wusste. Ich wollte ihn nicht mit der Geschichte der Prostituierten, die ich im örtlichen
maison close
beschäftigte, und meinem fortdauernden Kampf mit den Kopekenfuchser-Ärschen in Moskau langweilen, die entschieden hatten, die Gehälter, die ich den Mädchen zahlte, fielen unter meine persönlichen und nicht meine beruflichen Ausgaben.
    Philby grinste. »Vielleicht könnten Sie den Großfürsten erpressen.«
    Ich grinste zurück. »Vielleicht haben Sie ja doch eine Zukunft im Spionagegeschäft.«

Kapitel 8
    Gibraltar im Juli 1938:
Mr Philby von der
Times
bedauert, kein Vegetarier zu sein
    Der Londoner Resident hatte mich in dem Glauben zu diesem Treffen geschickt, dass es nichts Unverfänglicheres gebe als zwei alte Freunde aus Cambridge, die sich auf das, was Kim einen
Snake Bite
nannte, trafen. Das Rock Hotel, ein Stück die Felsen hoch, mit seinem hübschen Blick auf den Hafen und die Meerenge, war für uns beide ein recht günstiger Treffpunkt. An der Rezeption wartete bereits ein Telegramm auf mich. »Sie wären also Mr Guy Burgess?«, fragte der Hotelangestellte. »Das könnte schon sein«, erwidert ich. Er schien verwirrt. »Heißt das
Ja?
« »Ja, das heißt Ja
.
« Er gab mir ein Western-Union-Formular, auf das die Nachricht geklebt war. Kim lag, wie es schien, zwei Tage hinter seinem Zeitplan zurück, was mit einem Dorf auf halbem Weg zwischen Valencia und Barcelona zu tun hatte. Das Dorf hieß Vinaroz und war Franco gerade in die Hände gefallen. Die
Times
hatte entschieden, dieser strategische Sieg verdiene einen ausführlichen Bericht, und hatte ihren Sonderkorrespondenten aufgefordert, sich in Marsch zu setzen. Ich wollte nicht im Rock Hotel auf ihn warten, wo die ach so heiligen Aristokratenwitwen von früh bis spät auf der Terrasse hockten, eingezwängt in steife Korsetts und den Blick unverwandt auf Afrika gerichtet, als könnte es verschwinden, wenn sie nur eine Sekunde nicht hinsahen. Hätte ich mir die Zeit im Hotel vertrieben, als Lakai des Foreign Office auf geheimer Mission (was ich dem Hotelangestellten gegenüber nicht abgestritten hatte, als er die Vermutung äußerte), hätte mich eine dieser Matronen womöglich in ein Gespräch zu verstricken versucht. Nein, da waren eindeutig vorbeugende Maßnahmen vonnöten. Und Algeciras, auf der anderen Seite der Bucht, war der logische Fluchtpunkt. Ich war schon einmal dort gewesen und konnte es nicht erwarten, meine Erinnerungen aufzufrischen. Es gab einen Teil der Stadt, den die Einheimischen Colinas nannten, und dort ein Cabaret mit dem Spitznamen
Anal Canal,
das zwei schottische Schwuchteln führten. Die ungepflasterten Straßen rundum wimmelten nur so vor elternlosen Straßenkindern, die weggeworfene Zigarettenstummel aufsammelten und, wenn diese noch brannten, sie gleich bis auf die verdreckten Fingernägel herunterrauchten. Die Kellner im Etablissement hingegen waren hübsche portugiesische Schwulenjungs in französischen Seemannsanzügen, gestreiften Hemden, hautengen, unten ausgestellten Hosen und blauen Kappen mit rotem Bommel, und sie stanken nach herrlich billigem Parfüm. Für fünf Pfund Sterling konnte man jeden von ihnen haben, und dazu noch eine Flasche verwässerten

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