Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
für das Ausland arbeiten?«
    »Ich habe die Möglichkeit in einer Windung meines Gehirns abgespeichert.«
    »Warum um alles in der Welt treffen Sie sich dann mit mir?«
    Ich konnte sehen, dass ihm meine Antworten unangenehm waren. Dieser Cambridge-Mann, der sich da durch unser Gespräch stotterte, gab ganz offensichtlich alles, um für die Sowjetunion zu spionieren, und doch … Und doch schienen kaum spürbare Hinweise auf tiefere Strömungen in ihm auf, auf Loyalitäten, die tiefer gingen und unter der Oberfläche seiner treuen Gefolgschaft uns gegenüber verborgen lagen. Zu seiner Familie vielleicht? Zu Freunden? Seiner privilegierten Abstammung? England? »Ich treffe mich mit Ihnen«, sagte ich endlich, »weil Sie unser Hauptagent in Spanien sind. Die Moskauer Zentrale traut Ihnen. Genau wie ich.«
    »Mit der Antwort haben Sie sich aber Zeit gelassen.«
    »Ich lasse mir immer Zeit. Das trägt genau wie ein gesunder Schlaf zu einem langen Leben bei.«
    »Nur sind Sie damit auch der Antwort auf meine Frage ausgewichen: Waren Sinowjew, Kamenew, Rykow und Bucharin ausländische Agenten, die es auf Stalin abgesehen hatten?«
    »Ich bin nicht in der Position, zu beurteilen, ob sie tatsächlich einen Anschlag auf Stalin geplant haben«, sagte ich. »Aber ich glaube, dass sie es getan hätten, hätte sich ihnen die Möglichkeit geboten. Der seit Lenins Tod 1924 andauernde Machtkampf im Kreml setzt sich unglücklicherweise immer weiter fort. Genosse Stalin geht davon aus, dass es spätestens 1943 zum Krieg mit den deutschen Faschisten kommt, und er hält sich weise den Rücken frei, um nicht von hinten erdolcht zu werden, wenn der Krieg losgeht.«
    »Ah, langsam verstehe ich, warum Sie immer mit Blick auf das Caféfenster sitzen. Sie haben ebenfalls Angst, von hinten erdolcht zu werden. Sie beobachten, was hinter Ihnen vorgeht, ohne dass man es merken würde.«
    Ich knurrte zustimmend. »Das ist eine Maßnahme, die Moskau keine Kopeke kostet«, sagte ich.
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    Ich entschloss mich, es ihm nicht zu erklären. »Auf welchem Weg sind Sie hergekommen?«, fragte ich.
    »Mit dem Zug nach San Sebastian, von da mit einem Wagen des Roten Kreuzes nach Bayonne und dann mit der neuen Tram nach Biarritz. Eine Nacht musste ich wegen eines Erdrutsches in Bilbao verbringen. In der Bar habe ich einen deutschen Militärattaché angesprochen. Netter Kerl. Heinrich von Soundso.« Philby fingerte in der Brusttasche seiner Wüstenjacke herum, konnte aber nicht finden, wonach er suchte. »Zum T-T-Teufel, er hat mir seine Visitenkarte gegeben, aber ich scheine sie verlegt zu haben. Dieser Heinrich war so beeindruckt, jemanden zu treffen, der schon mal mit Botschafter Ribbentrop gesprochen hat, dass er mich zum Abendessen in die Offiziersmesse eines Flugplatzes nicht weit von der Stadt entfernt eingeladen hat. Wir fuhren an einem enorm großen Hangar vorbei, und ich konnte sehen, wie sie verschiedene Kampfflugzeuge zusammensetzten, deren Einzelteile offenbar in großen Kisten angeliefert worden waren. Der Militärattaché sagte, es handle sich um die allerneuesten Messerschmitts, Bf-109-Fs, mit Elfhundert-PS-Motoren. Er gab damit an, dass sie die russischen Flugzeuge der Republikaner umzingeln könnten.«
    »Hat er von der Bewaffnung der 109er gesprochen?«
    »Nein, und ich habe auch nicht danach gefragt. War das falsch?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es war klug, nicht zu fragen. Hüten Sie sich, zu neugierig zu erscheinen.« Ich ließ mir Zeit, an meinem Anisette zu nippen. »Und ob nun mit oder ohne die neuen 109er, der Krieg gegen Franco ist verloren.«
    »Sieht das die Moskauer Zentrale so?«
    »Das sieht die ganze Welt so. Die Truppen, die Franco unter dem nationalistischen Banner versammelt hat, Königstreue, Faschisten, Priester, Berufsoffiziere, sie kontrollieren das Baskenland und die Schwerindustrie in Bilbao. Sie selbst haben berichtet, dass Franco fünf Armeen zusammentrommeln konnte, unterstützt von vierhundert Flugzeugen.«
    »Die Republikaner halten immer noch Barcelona und den Hafen«, sagte Philby. »Genosse Stalin könnte Unmengen an Waffen schicken …«
    Wie ich mich kenne, werde ich mein wissendes Lächeln aufgesetzt haben. »Genosse Stalin wird diese Waffen brauchen«, sagte ich, »um Sowjetrussland zu verteidigen, wenn der Krieg mit Deutschland ausbricht. Die einzige Hoffnung der Republikaner besteht darin, so lange in den Gräben auszuharren, bis der europäische Krieg losbricht, was die

Weitere Kostenlose Bücher