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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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redest du da? Haben Sie den Schweden erwischt? Ist er tot?«
    »Es ist weitaus schlimmer, fürchte ich. Schlimmer geht’s kaum noch. Er ist übergelaufen.«
    Ich erinnere mich an die Ruhe, mit der Kim zu den Kielwasserstreifen auf der Meerenge hinübersah, die noch lange, nachdem die Schiffe vorübergefahren waren, sichtbar blieben, als sollten sie die Zu- und Ausfahrten des Mittelmeeres markieren. »Ich bin erleichtert, dass du es so gelassen nimmst«, sagte ich.
    Kim sah mich an. »Das ist alles Teil des großen Spiels«, sagte er. »Wir wussten, dass es hart werden kann, als wir unterschrieben haben.«
    »Gorski meinte, ehe du das mit dem Schweden von anderer Seite hörst, sollte ich es dir besser sagen. Er wollte, dass du es von uns erfährst. Einen Lichtblick gibt es. Laut Gorski hat der Schwede Stalin vor seinem Überlaufen einen Brief geschrieben. Er hat eine Frau und ein Kind an der französischen Riviera und Eltern, Brüder, Schwestern, Onkel und Tanten in Russland. In seinem Brief erinnert er Stalin daran, dass er die Identität jedes einzelnen russischen Spions in Europa kennt. Mit den meisten hat er selbst gearbeitet. Er versichert Stalin, wenn seine Familie unbehelligt bleibt, wird er dem Westen auch nicht einen Namen nennen.«
    Kim nahm das mit einem Nicken auf. »Wann hat der Schwede die Seiten gewechselt?«
    »Um den Zwölften dieses Monats herum, soweit wir das rekonstruieren konnten. Von einem Tag auf den anderen ist er aus seiner Pension in Cannes verschwunden. Gott weiß, wie er es auf die andere Seite geschafft hat.«
    Kim kam wie immer gleich auf den Kern des Problems zu sprechen: »Wie können wir sicher sein, dass der Schwede seinen Teil dieses Teufelspaktes erfüllt?«
    »Nun, zum einen sitzen wir hier auf der Terrasse des Rock Hotel, ohne dass bislang jemand versucht hätte, uns zu verhaften.«
    »Was, wenn sie ihn foltern?«
    Ich dachte darüber nach. »Ich habe den Schweden nie persönlich kennengelernt. Du schon. Einmal saß er in der Nähe und fütterte Tauben, als ich mich mit Otto getroffen habe. Ein muskulöser Kerl mit kurz geschorenem Haar. Er kam mir vor wie einer, dem man nicht gern im Dunkeln begegnet. Genau genommen auch nicht im Hellen. Otto hat mich auf ihn aufmerksam gemacht, für den Fall, dass ich ihn einmal hätte treffen müssen. Im Nachhinein glaube ich, dass der Schwede Otto amüsiert hat. Er sagte, er sei das, was die alten Bolschewiken einen Fleischfresser nennen würden. Was wohl bedeutet soll, dass er bereit ist zu töten – und auch getötet zu werden.«
    »Es heißt, niemand hält der Folter stand.«
    »Wer sagt das?«
    »Liest du keine Spionageromane?«
    »Was wissen die Schreiberlinge schon? Hocken an ihrem Tisch mit Blick ins Grüne, wo die größte Bedrohung für Leib und Leben ein Graben ist, in den man fallen könnte.«
    Kim musste lachen. »Was wissen wir beide schon, die wir hier auf der Terrasse des Rock Hotel sitzen?«
    Ich stellte Kim die Frage, die mir, seit ich vom Überlaufen des Schweden gehört hatte, nicht mehr aus dem Kopf wollte. »Was würdest du tun, wenn du dächtest, du wärst enttarnt worden?«
    »Fersengeld geben.«
    »Du würdest nach Russland gehen?«
    »Otto schien zu glauben, dass nichts auf Erden Shangri-La näher käme. Russland würde mir durchaus zusagen, wenn ich wüsste, dass ich auch weiterhin Bücher von Bowes & Bowes beziehen könnte und meine Arm-&-Hammer-Verdauungstabletten von Harrods. Auf jeden Fall würde ich lieber in die eisigste Steppe Sibiriens ziehen, als zwanzig Jahre hinter den Gittern vom Wormwood Scrubs verbringen zu müssen.«
    »Gehst du zurück nach England, wenn der Krieg vorbei ist?«
    »Meine Chefs bei der
Times
wollen, dass ich von dem Krieg berichte, der, so wie es aussieht, in Europa losbrechen wird.«
    Großer Gott, eine der Matronenheiligen stand plötzlich neben mir. Sie hielt ein Exemplar der
Vegetarier-Nachrichten
in der Hand, in denen ein Bild von Kim war, wie er von Franco dekoriert wurde. »Bitte, vergeben Sie mir die Störung«, sagte sie, »aber ich habe Sie von dem Bild hier wiedererkannt. Oder eigentlich war es meine Freundin Mrs Crowlwithers, die Sie erkannt hat. Auch wenn sie nicht ganz sicher war, bis sie die Kopfwunde gesehen hat. Sie sind doch der Gentleman von der
Times
auf diesem Foto, oder?«
    »Das ist er«, sagte ich, um Kim keine Ausflüchte zu erlauben. »Vielleicht sollte er Ihnen das Bild signieren.«
    »Aber genau deshalb bin ich ja hier!« Sie sah Kim an. »Würden

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